Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Rede
von Thomas Stiefel, Connection e.V.

bei der Kundgebung

Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen!

am 24. Februar 2024 in Frankfurt am Opferdenkmal in der Gallusanlage

 

Liebe Kriegsgegnerinnen, liebe Kriegsgegner,

mein Name ist Thomas Stiefel. Ich gehöre dem Verein Connection an. Seit 30 Jahren unterstützen wir Kriegsdienstverweigernde weltweit.

Letzten Sommer interviewten wir zwei russische Kriegsdienstverweigerer, zwei Brüder, die es nach Deutschland geschafft haben.

Einer von Ihnen, Vladimir, erzählte uns von seiner Kindheit, die er in der Ukraine verbracht hatte, wie er dort aufwuchs, ohne irgendeinen Unterschied zwischen Russen und Ukrainern zu spüren. Vor zwei Jahren, als er schon lange in St. Petersburg lebte, befahl der andere Vladimir, Präsident Putin, den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine, der Euphemismus „Spezialoperation“ entpuppte sich schnell als brutaler Krieg, der vor allem gegen die Zivilbevölkerung geführt wird.

Vladimirs Freunde und Kollegen in St. Petersburg sagten zu ihm: Du bist doch in der Ukraine geboren. Du bist doch ein Spion! Sie schikanierten und bedrängten ihn so lange, bis er den Entschluss fasste, Russland zu verlassen, bevor er für einen verbrecherischen Krieg eingezogen und zum Kampf in der Ukraine gegen seine eigenen Familienmitglieder und Freunde gezwungen werden würde.

Vladimir sieht das so: „Sie haben uns Menschen entzweit. Und nun sagen sie mir: „Nimm das Gewehr und töte deine Großmutter! „Es gibt Leute, die bereichern sich an diesem Krieg, dafür will ich nicht sterben. Gegenüber der russischen Gesellschaft wird an Patriotismus und Nationalismus appelliert.“

„Nicht alle glauben dieser Propaganda, aber die Leute haben Angst“, und Vladimir hebt hervor: „Mit meinem Beispiel, möchte ich zeigen, dass man sich trauen muss, seine Meinung zu sagen“. Dies tut Vladimir nun hier in Deutschland. Über seinen Asylantrag ist noch nicht entschieden über den seines Bruders schon, in erster Instanz: Eine Ablehnung!
Seine Geschichte ist typisch für viele, die bei uns, Connection e.V., um Rat suchen.

Kriegsdienstverweigerung allein wird von deutschen Behörden nicht als Asylgrund anerkannt und solche Bewerber in der Regel vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Von den russischen Bewerbern wird gefordert, zu belegen, dass sie zum Einsatz an die Front geschickt wurden, und sich dann dem Kriegsdienst entzogen oder von der Truppe desertiert sind. Dies ist Ihnen in der Regel nicht möglich. Wer vorausschauend flüchtet, bekommt in Deutschland und Europa meist kein Asyl!
Dies steht im krassen Gegensatz zu Erklärung von EU-Amtsträgern, wie EU-Ratspräsident Charles Michel, der Russen zur Desertion auffordert.

Wir sagen nein zur Abschiebung von Geflüchteten, denen die Zwangsrekrutierung droht!

Für ukrainische Verweigerer stellt sich die Situation noch verzwickter dar. Nach unseren Schätzungen befinden sich über 325.000 militärdienstpflichtige Ukrainer*innen in der Europäischen Union, 100.000 allein in Deutschland. Ihnen haftet hier wie zuhause das Stigma an, „unpatriotisch“ zu sein. Deshalb möchten sie selten an die Öffentlichkeit gehen. Einerseits genießen sie noch bis 4. März 2025 einen befristeten Aufenthalt in Deutschland, der sich auf die sogenannte Massenzustromrichtlinie stützt. Was danach mit ihnen geschieht, ist noch offen. Doch auch der ukrainische Staat streckt seinen langen Arm nach ihnen aus.

Mit dem Gesetzentwurf vom 8. Februar dieses Jahres soll eine umfassende Meldepflicht im Militärregister eingeführt werden, die auch für Frauen in medizinischen Berufen gilt. Über eine elektronische Datenbank soll es möglich sein, Musterungs- und Einberufungsbescheide auch online verbindlich zuzustellen, um damit auch auf im Ausland lebende Ukrainer*innen zuzugreifen.
Wir wenden uns gegen diese Verschärfung und fordern sowohl die ukrainische Regierung wie auch die Europäische Union auf, den Schutz von Kriegsdienstverweiger*innen sicherzustellen.

Wir fordern Schutz für all diejenigen, die sich durch ihr persönliches Handeln der Mitwirkung an dem Krieg in der Ukraine verweigern!

Es ist hier auch klar zu sagen: Für eine Auslieferung dieser Personen gibt es keine rechtliche Handhabe. Eine Auslieferung wegen Militärstrafvergehen ist aufgrund des Europäischen Auslieferungsabkommens ausgeschlossen.

„Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht“, Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Grundsatzentscheidung festgestellt. Die Ukraine hält sich nicht daran, hat ihre eigene Gesetze zur Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt, schickt Verweiger*innen an die Front oder unterwirft sie teilweise langen Haftstrafen von 1- 4 Jahren, wie uns Yuri Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung berichtet. Zwischen Januar und September 2023 wurden fast 19.000 Strafverfahren wegen Militärstraftaten durchgeführt. Die Arbeit dieser Organisation wurde massiv behindert, Computer aus ihrem Büro beschlagnahmt, und Yuri wird strafrechtlich verfolgt.

Für Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht steht auch die von uns mitgegründete #ObjectWarCampaign, ein, in der sich europaweit über 100 Organisationen zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Wir sagen:

Ja zum Asyl für alle Kriegsdiensterverweigernde und Desertierende aus dem Ukraine-Krieg in Deutschland und in der EU!

Nein zur Abschiebung und drohenden Zwangsrekrutierungen in diesen völkerrechtswidrigen Krieg.

Unterstützt unterstützen Sie, unterstützt auch Ihr, die #ObjectWarCampaign !

Macht mit! Vorschläge, was Ihr dezentral tun könntet findet Ihr auf www.objectwarcampaign.org

Danke sehr!

 

Letztes Update: 26.02.2024, 03:34 Uhr