Aktuell > Trauer um Rudi Friedrich
Wir sind geschockt vom plötzlichen Tod unseres Mitstreiters Rudi Friedrich. Wie wir erfahren haben, verunglückte Rudi am 7. Juli bei einer Bergwanderung nahe Como in Italien. Mit ihm verlieren nicht nur die DFG-VK Hessen und das DFG-VK Bildungswerks Hessen e.V. ein wichtiges Mitglied, sondern auch die internationale Bewegung für Kriegsdienstverweigerung. Viele von uns verlieren auch einen guten Freund.
Rudi Friedrich hat jahrzehntelang die Arbeit der DFG-VK Hessen und auch des DFG-VK Bildungswerks Hessen entscheidend mitgeprägt: als Aktiver der DFG-VK Offenbach und 1990 bis 1992 als Landesgeschäftsführer der DFG-VK Hessen, wobei er auch für den Landesverband Rheinland-Pfalz zuständig war und Grundlagen schuf, die über seine Amtszeit hinaus bis heute nachwirken.
Mit der AG Südliches Afrika der DFG-VK begann in den 1980ern, getragen vor allem von Aktiven in den Landesverbänden Hessen und Rheinland-Pfalz, darunter Rudi, eine längerfristig organisierte internationale Friedensarbeit, die in der AG Kriegsdienstverweigerung im Krieg der DFG-VK fortgesetzt wurde. Rudi Friedrich trug als Landesgeschäftsführer maßgeblich dazu bei, die internationale Kriegsdienstverweigerungssolidaritätsarbeit der DFG-VK Hessen und der DFG-VK Rheinland-Pfalz auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen.
Ab 1993 setzte er sich als Geschäftsführer des Vereins Connection e.V. noch intensiver und professioneller für Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger:innen aus anderen Ländern und weltweit fürs Recht auf Kriegsdienstverweigerung ein. Die DFG-VK Hessen und die DFG-VK Rheinland-Pfalz arbeiten zu diesen Themen eng mit Connection zusammen und haben in mehr als 35 Jahren unzählige Veranstaltungen und Kundgebungen zusammen mit Rudi gestaltet und an den von ihm initiierten oder vorangetriebenen internationalen Solidaritätskampagnen mitgewirkt. Wir unterstützten gemeinsam Kriegsdienstflüchtlinge aus dem zerfallenden Jugoslawien. In den 1990er und 2000er Jahren war die Kooperation mit der türkischen Kriegsdienstverweigerungsbewegung sowohl in der Türkei als auch unter in Deutschland lebenden Kriegsdienstverweigerern aus der Türkei ein wichtiges gemeinsames Thema von Connection und DFG-VK Hessen. Dazu gehörten auch gemeinsam organisierte Solidaritätsreisen in die Türkei und auch nach Russland. Es folgten über die Jahre hinweg die Solidaritätsarbeit, Veranstaltungen und Kampagnen gemeinsam mit Pazifist:innen und Kriegsdienstverweiger:innen in und aus Griechenland, Zypern, Eritrea, den USA, Israel, Angola, Tschad, Ägypten, Kolumbien, Süd-Korea, der Ukraine und anderen Ländern.
Ab 2022 wurden Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer:innen und Deserteur:innen aus Russland, Belarus und auch der Ukraine zum Schwerpunkt der intensiven Zusammenarbeit von der DFG-VK bundesweit mit Connection. Im Rahmen der Object War Campaign haben wir mit Rudi fast 50.000 Unterschriften für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gesammelt und an die Europäische Kommission übergeben. Zudem haben wir gemeinsam zahlreiche Aktionen organisiert, um auf das Thema aufmerksam zu machen – im Dezember vergangenen Jahres etwa eine Demonstration zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg und zuletzt im Mai 2025 die Aktionswochen zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung mit Kundgebungen und Veranstaltungen bundesweit, unter anderem in in Berlin und Mainz.
Wir hatten schon mit Rudi mit den Planungen zum Internationalen Tag der Menschenrechte im Dezember begonnen. An der von Connection für Oktober 2025 vorbereiteten Veranstaltungsreihe mit Aktivist:innen aus Russland zur Kriegsdienstverweigerung in Russland werden sich auch Gruppen der DFG-VK Rheinland-Pfalz und der DFG-VK Hessen beteiligen. Beides muss nun ohne Rudi stattfinden.
Nicht nur innerhalb Deutschlands war Rudi ein wichtiger politischer Akteur: Durch seine jahrzehntelange Arbeit für Kriegsdienstverweigerer:innen und Deserteur:innen in unzähligen Ländern war er international so gut vernetzt wie kaum ein anderer in der Friedensbewegung. Rund um den Globus kannte er Menschen, die sich widersetzten, eine Waffe gegen andere Menschen zu erheben, unterstützte sie und verband sie miteinander. Rudis Verlust ist kaum zu ermessen.
Seinen Angehörigen wünschen wir in dieser schweren Zeit viel Kraft und stehen in Gedanken an ihrer Seite.
Rudi, Du wirst uns unendlich fehlen.
von Franz Nadler und Thomas Stiefel (Connection e.V.)
(22.07.2025) Rudi Friedrich war der jüngste von sechs Söhnen einer evangelischen Pastorenfamilie, die von Brasilien zurück nach Norddeutschland zog. Nach dem Abitur machte er zuerst eine Maurerlehre in Celle, verweigerte den Kriegsdienst, machte Zivildienst und studierte anschließend Soziologie in Frankfurt. Als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner (damals noch ohne *innen) kritisierte er die damals dort vorherrschende Einschätzung der DDR als „Friedensmacht“. So kam er 1982 von Frankfurt zur Gruppe nach Offenbach. Hier entwickelten wir zusammen ein breit aufgestelltes Verständnis der Kriegsdienstverweigerung als aktives Handeln gegen Krieg, gegen Kriegsvorbereitung, Militärdienstpflicht und auch den Zivildienst, der ja nichts anderes als eine staatlich verordnete Zwangsarbeit darstellt. Es entstanden die in mehreren Auflagen erschienene Beratungsbroschüre „Drückeberger“ und 1989, zusammen mit der Selbstorganisation der Zivildienstleistenden, das Buch „Was gibt es Schöneres als anderen Menschen zu helfen? – Zivildienst, Zwangsarbeit und sozialer Bereich“. Obwohl er selbst immer wieder Kontakte zur Kriegsdienstverweigerungsbewegung in der DDR pflegte, war er anfangs der völligen Internationalisierung der Arbeit gegenüber noch skeptisch. Dies änderte sich, als er 1990 Geschäftsführer der DFG-VK Hessen wurde. Dutzende von US-Soldaten wollten nicht in den Golfkrieg verlegt werden und suchten Hilfe bei der von ihm dort aufgebauten Beratung. Mit dieser Erfahrung ging es dann in Offenbach voran. Die bislang von anderen der Gruppe geführte Arbeitsgruppe Südliches Afrika und dann „Kriegsdienstverweigerung im Krieg“ wurden ab dem Jahr 2000 in die 1993 gegründete Organisation Connection e.V. integriert und Rudi zu ihrem hauptamtlichen Geschäftsführer. Immer neue Kriege, an denen sich auch immer mehr Deutschland beteiligte, und die prekäre Situation von vielen Kriegsdienstverweigerern (und zunehmend auch -innen) führten seitdem zu einem enormen Anwachsen unserer Aktivitäten. Es seien hier nur einige erwähnt. Da ist der nun schon seit Jahrzehnten andauernde Kampf um das Menschenrecht in der Türkei. Die circa hundert Tausend, die vor dem Kriegsdienst im ehemaligen Jugoslawien flohen, die Hilfe für US-Soldat*innen, in den immer wieder inszenierten Kriegen im Nahen und Mittleren Osten. Da ist die Unterstützung für die Verweigernden in Israel, Angola, Eritrea, Lateinamerika, Südkorea und Thailand. Die umfassende Arbeit zum Ukrainekrieg sei hier nur erwähnt, da sie weitgehend bekannt sein dürfte. Es war immer wieder Rudi, der die Kontakte aufbaute und pflegte, Besuche und Rundreisen organisierte. Er scheute nicht den Kontakt zu den Medien, zu Prominenten und Entscheidungsträgern. Er war ein Genie im Netzwerken. Er erstellte auch die Expertisen für zahlreiche Asylverfahren, auch für solche in anderen Ländern, für Anwält*innen und Institutionen. Er entwickelte sich darin zu einem geschätzten Experten. Hervorzuheben ist auch Rudis musisches Talent, das er mit seinem Freund Talib Richard Vogl in zwei Szenischen Lesungen, u.a. „Run Soldier Run“, unter Beweis stellte. Mit unermüdlicher Werbetätigkeit gelang es, Spenden einzuwerben, damit wir nicht nur die Gruppen in anderen Ländern unterstützen, sondern auch die eigene Infrastruktur ausbauen konnten. Es war nicht zuletzt auf Rudis Engagement zurückzuführen, dass Connection e.V. zu einer weltweit als wichtig anerkannten Organisation wurde, was sich auch in verschiedensten Friedenspreisen ausdrückte. Schon bald wurde klar, dass diese Arbeit von ihm allein nicht mehr getragen werden konnte. Rudi wollte in etwa zwei Jahren seine Tätigkeit als Geschäftsführer übergeben. Deshalb wurde die Arbeit auf verschiedene Schultern verteilt. Jetzt gibt es eine Verantwortliche für Soziale Medien, eine zweite Kraft in der Geschäftsführung, eine Connection-Vertretung beim Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf und seit Neuestem einen russischen Anwalt, der sich insbesondere um die internationale Vernetzung kümmern soll. Auch das Büro befindet sich jetzt nicht mehr in Rudis und Karins Privatwohnung, sondern in einem modernen Bürogebäude in Offenbach. Wenn auch Rudi ein Motor der Ideen war, so war er doch nicht allein. Auch wenn es Zeiten gab, wo wir uns nur mit ihm oder mit wenigen trafen, so ist die Anzahl der Aktiven doch kontinuierlich gestiegen und beläuft sich derzeit auf etwa 15. Auch sie bringen wichtige Impulse in die Arbeit ein und tragen sie mit. Wir sind über den Verlust Rudis unendlich traurig. Er war ein unersetzbarer Freund, dem es gelang, bei den auch bei uns immer wieder auftretenden Differenzen zu vermitteln. Sein Tod stellt eine Zäsur dar. Aber die Arbeit wird weitergehen. Wie sie geleistet werden kann, ist derzeit in manchen Bereichen noch unklar. Die Haupt- und Ehrenamtlichen sind sich aber einig: Die Arbeit für die Verweigernden weltweit, für ein uneingeschränktes Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung und das Recht auf Asyl sind uns allen wichtig. Deshalb bitten wir um Unterstützung, damit Connection e.V. weiterhin dieses Ziel verfolgen kann. Danke auch dafür. Franz Nadler und Thomas Stiefel sind Mitbegründer von Connection e.V. und im Vorstand des Vereins
von Connection e.V.
Eine Feier für Freund*innen und politische Weggefährt*innen zum Gedenken an Rudi bereiten wir für den 4. Oktober ab 16 Uhr in Offenbach vor. Es soll dort — wie von Rudi und Karin gewünscht — nicht nur getrauert, sondern auch wirklich gefeiert werden. Der Austausch der Gäste steht im Mittelpunkt. Es werden vorausichtlich nur wenige Wortbeiträge aber einige musikalische Beiträge zu hören sein. Ebenfalls sind Foto- und Videoeinspielungen angedacht. Für Essen und Trinken wird gegen einen Spendenbeitrag gesorgt sein.
Da die Plätze im Saal begrenzt sind bitten wir die Interessierten um Anmeldung unter: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSclKqoVFhzqTCWFoY_JSDok8CxyBLYXwUuybKGv5d39P0tVOg/viewform?usp=header
oder meldet Euch an bei:
thomas.stiefel<at>Connection-eV.org