Aktuell > Tag der Kriegsdienstverweigerung 2017
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Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am 4. Mai 2017 entschieden, dass Kriegsdienstverweigerer aus Syrien in Deutschland keinen Anspruch auf Asyl haben. Einem 20-jährigen Verweigerer wird der volle Flüchtlingsstatus vorenthalten, er erhält nur eingeschränkten befristeten Schutz, der z.B. keinen Familiennachzug erlaubt.
Jeder, der sich dem Krieg in Syrien und anderswo verweigert, verdient größtmögliche Unterstützung. Kriegsdienstverweigerer brauchen Asyl. Wer – wie das Oberverwaltungsgericht Münster – die Zwangsrekrutierung für den Krieg rechtfertigt und unterstützt, fördert und verlängert den Krieg.
Das OVG argumentiert, dass die dem Kriegsdienstverweigerer drohende Folter keine politische Verfolgung sei, "weil es die Wehrdienstentziehung als solche im Interesse der Aufrechterhaltung der militärischen Schlagkraft des syrischen Staates zu bekämpfen gilt".
Es ist absurd, dass die Bundesrepublik Deutschland, die der syrischen Regierung unter Assad schwerste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen anlastet und den völkerrechtswidrigen Angriff der USA auf Syrien im April 2017 gutheißt, so viel Verständnis für Folter zur Erhaltung der militärischen Schlagkraft des Assad-Regimes aufbringt.
Noch deutlicher wird die menschenverachtende Gesinnung des OVG, wenn es sich auf das deutsche Militärstrafrecht beruft: "Der Soldat muss die menschliche Regung der Furcht überwinden. (...) Furcht vor persönlicher Gefahr entschuldigt eine Tat nicht, wenn die soldatische Pflicht verlangt, die Gefahr zu bestehen."
Hier zeigt sich der Hauptgrund für die Solidarisierung des deutschen Staats mit dem ansonsten dämonisierten Assad-Regime: Beide bestehen auf dem Recht, Menschen gegen ihren in Willen in Militär und in Krieg zu zwingen. Wenn es darum geht, sind sich die Merkels, Assads, Putins und Erdogans dieser Welt einig gegen die ihnen unterworfene Bevölkerung.
Auch in Deutschland gibt es immer noch die sogenannte Wehrpflicht. Zwangsmusterungen und Zwangseinberufungen sind seit 2011 lediglich ausgesetzt, aber nicht abgeschafft. Mit einfacher Mehrheit des Bundestags kann der Zwang zum Kriegsdienst reaktiviert werden. Es häufen sich die Forderungen danach.
Nachdem seit den 1990er Jahren der Kriegsdienstzwang in den meisten Staaten Europas ausgesetzt oder abgeschafft wurde, hat sich der Trend umgekehrt. Seit 2014 haben nicht nur die kriegführende Ukraine sowie Litauen die Zwangsrekrutierungen wieder aufgenommen. Schweden wird ab 2018 junge Männer und Frauen ins Militär zwingen. In Frankreich haben im Wahlkampf Melénchon, Macron und Le Pen die Wiedereinführung des Kriegsdienstzwangs gefordert.
Am Urteil des Oberverwaltungsgerichts zeigt sich wieder, dass es kein Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung gibt. Internationale Menschenrechtskonventionen verbieten Sklaverei und Zwangsarbeit, machen aber ausdrücklich eine Ausnahme für Militär- und Militärersatzdienst. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen verbunden mit staatlicher Gewissensprüfung und Ersatzdienstzwang, wie es sich in Westeuropa durchgesetzt hat, kann nur ein Ausnahmerecht für diejenigen sein, denen vom Staat Gewissensgründe zugebilligt werden. Es ist weit davon entfernt ein Menschenrecht für alle Menschen ungeachtet ihrer Gesinnung oder ihrer Charaktereigenschaften zu sein.
Dass das OVG dem syrischen Kriegsdienstverweigerer unterstellt, kein richtiger Kriegsdienstverweigerer zu sein, weil er dem syrischen Militär "eine inhaltlich ablehnende Erklärung" hätte geben müssen, zeigt zu welch absurden Konsequenzen das Denken in den Kategorien des an Gewissensgründe gebundenen Rechts auf Kriegsdienstverweigerung führt.
Menschenrechtsorganisationen orientieren sich gewöhnlich am eingeschränkten Recht auf Kriegsdienstverweigerung, das an staatlich definierte Gewissensgründe gebunden ist. Umso erfreulicher ist, dass die Internationale Liga für Menschenrechte anlässlich des Internationalen Tags der Kriegsdienstverweigerung 2017 fordert, "das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht für alle auszugestalten und durchzusetzen."
Wer den Krieg in Syrien beenden will, muss Menschen, die sich diesem Krieg verweigern, unterstützen.
Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ist sowohl aus menschenrechtlicher als auch aus friedenspolitischer Perspektive dringend geboten.
Der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung erinnert daran, wie wichtig es ist, dass Menschen sich selbst dem Krieg verweigern und nicht darauf warten, dass Staaten und Möchtegernstaaten damit aufhören, Kriege zu führen.
Eine Auswahl aus bisher bekannten Aktionen und Veranstaltungen weltweit: