Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Rede der DFG-VK bei der Kundgebung zum Bildungsstreik in Friedberg am 29. Juni 2010


Liebe Freundinnen und Freunde,

Schön, dass so viele hier zusammengekommen sind, um den längst fälligen Wechsel in dieser katastrophalen Bildungspolitlik einzufordern. Ich vertrete die DFG-VK, das ist die Deutsche Frie­densgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgeg­nerInnen, und möchte mich hier mit einem be­sonderen Aspekt befassen, der verstärkten Präsenz der Bundeswehr an den Schulen.

Die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Inzwischen ist es trau­riger Alltag, dass sich deutsche Soldaten in Af­ghanistan, im Kosovo, Kongo, im Golf  von Aden und anderswo herumtreiben. Vor 20 Jah­ren konnte sich das kaum jemand vorstellen. Immer mehr Menschen lehnen diese Politik ab und immer weniger sind bereit,

Soldat zu werden und für so genannte „deut­sche Interessen“ in den Krieg zu ziehen.

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Die Bundeswehreinsätze in aller Welt (und wo­möglich bald im Inland) entbehren nicht nur  je­der ethisch vertretbaren, sondern auch jeder völkerrechtlichen Grundlage, selbst mit den Maßstäben des Militarismus gemessen: Weder Deutschland noch sonst ein Natostaat ist der­zeit militärisch bedroht. Die Nato - einschließ­lich der Bundeswehr - hat spätestens mit dem Ende des Warschauer Paktes jede Existenzbe­rechtigung verloren. Als neues Feindbild muss bekanntlich der internationale Terrorismus her­halten. Das dumme ist bloß, dass Terrorismus mit militärischen Mitteln überhaupt nicht wirksam bekämpft werden kann.

Die Bundeswehr schützt niemanden, sondern stellt im Gegenteil, dort wo sie auftaucht eine Bedrohung dar. Internationale Hilfsorganisatio­nen beklagen seit Jahren, dass die steigende Militärpräsenz ihre vorher erfolgreiche Arbeit behindert, gefährdet und oft unmöglich macht. Das geschieht selbstverständlich nicht aus Ah­nungslosigkeit oder Hilflosigkeit der Verantwort­lichen. Nein, es wird immer unverblümter zuge­geben, dass schlichte wirtschaftliche Interessen dahinter stehen.

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Die Bundeswehr ist unbeliebt. Zugleich braucht sie aber, wie das aktuelle Weißbuch sagt, jähr­lich 20.000 junge Frauen und Männer, „gut ausgebildete, gleichermaßen leistungsfähige wie leistungswillige Soldatinnen und Soldaten“. Also betreibt sie Image-Pflege, veranstaltet Events für Jugendliche, wirbt im Internet, in Zeitungen, im Kino und im Fernsehen für den Soldatenberuf, Wehrdienstberater versuchen in Arbeitsagenturen arbeitslose Jugendliche zu rekrutieren, Jugendoffiziere und Wehrdienstbe­rater kommen zu Euch in die Schulen und Uni­versitäten.

Die Bildungsminister von vier Bundesländern haben bisher sogenannte Kooperationsver­einbarungen mit der Bundeswehr getroffen, zuletzt das SPD-regierte Rheinland-Pfalz. Hier in Hessen bahnt sich ebenfalls eine solche Vereinbarung an. Die Inhalte sind sich alle ähn­lich, teilweise sogar wortgleich, und wenn man sich das mal durchliest, hat das wenig mit der beschworenen Vielfalt und Demokratie zu tun.

Da werden Lehrer und Referendare von der Bundeswehr ausgebildet. Es gibt einseitiges Unterrichtsmaterial, Bundeswehrbesuche und von Soldaten gestaltete Unterrichtseinheiten mit Abiturprüfungsinhalten! So werden einseitig mi­litaristische Inhalte verschleiert und arglosen Schülern als angeblich neutraler Lernstoff un­tergejubelt. Damit dienen diese Kooperations­vereinbarungen wohl kaum der eigenständigen Auseinandersetzung mit der Friedensproble­matik, sie dienen vielmehr der Manipulation und der Rekrutierung, und das ist ein Skandal son­dergleichen!

In Rheinland-Pfalz reichten deshalb 300 Unter­zeichner eine Petition an den Landtag ein, die die Rücknahme der Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundeswehr und dem Bildungs­ministerium fordert.

Es liegt bereits eine Antwort des Bürgerbeauf­tragten vor, und die rheinland-pfälzischen Frie­densgruppen haben ihrerseits ihre Position noch einmal klargestellt und erweitert, und for­dern jetzt endlich eine öffentliche Debatte dar­über, ob die Bundeswehr diesen privilegierten und von der SPD geförderten Zugriff auf Schü­ler, und das heißt zum Großteil auf Minderjäh­rige, haben darf.

Jonas Becker von der Katholischen Studieren­den Jugend forderte: "Wenn die SPD-Landes­regierung an der Kooperation mit den eh schon privilegierten Jugendoffizieren und Rekrutieren festhalten sind jetzt Schüler, Eltern und Lehrer gefordert, an Ihrer Schule dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr keinen Zutritt erhält. Die politi­sche Bildung - auch in Fragen der Sicherheits­politik - gehört in die Hand der dafür ausgebil­deten pädagogischen Fachleute und nicht in die von Jugendoffizieren."

Was das konkret bedeutet, erläutert Markus Pflüger von der AG Frieden Trier: "Politische Bildung muss sich nach den Mindestanforde­rungen des Beutelsbacher Konsenses rich­ten, also dem Überwältigungsverbot, dem Kontroversitätsgebot und der Schülerorien­tierung. Die Rahmenvereinbarung des Bil­dungsministeriums mit der Bundeswehr ver­stößt aber gegen diese anerkannten Grund­sätze".

"Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen - Jugendoffiziere können dies per Auftrag nicht, sie sollen die Akzeptanz für die von der Bevöl­kerung mehrheitlich abgelehnten Kriegsein­sätze inklusive immenser Rüstungsausgaben erhöhen."

"Es ist nicht erlaubt, Schüler im Sinne er­wünschter Meinungen zu überrumpeln und da­mit an der Gewinnung eines selbständigen Ur­teils zu hindern. Diese Arten der Erziehung werden vom Beutelsbacher Konsens nicht als Erziehung zur kritischen Loyalität, sondern als Indoktrination bezeichnet." darauf verweist Tim Lösch von der GEW-Hochschulgruppe Trier und weiter: "Die Bundeswehr verstößt zudem gegen das Rheinland-pfälzische Schulgesetz, das Lehrkräften eine differenzierte Darstellung von Themen vorschreibt: 'Jede einseitige Un­terrichtung und Information ist unzulässig.'"

Liebe Freundinnen und Freunde - Ich komme langsam zum Schluss, mit einer Überlegung von Gernot Lennert von der DFG-VK Hessen: "Das Angebot des Bildungsministeriums, auch die Zusammenarbeit mit Kirchen und Anbietern von Zivil-, Friedens- oder Entwicklungshilfe­diensten weiter zu intensivieren, klingt auf den ersten Blick positiv, allerdings ändert dies nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an der Rah­menvereinbarung mit der Bundeswehr. Auch von einem gleichberechtigten Beitrag kann nicht die Rede sein. So ist die Bundeswehr mit einem jährlichen Etat von 27 Millionen Euro für die Nachwuchswerbung ausgestattet und be­schäftigt didaktisch geschulte und hauptberuf­lich tätige Jugendoffiziere und Wehrdienstbe­rater. Diese Ungleichheit an finanziellen, perso­nellen und materiellen Ressourcen würde auch durch einen Kooperationsvertrag mit zivilgesell­schaftlichen Gruppierungen nicht behoben - eine solche Kooperation könnte sogar einer Le­gitimierung der Bundeswehrkooperation die­nen."

Also, liebe Leute: Eure Lehrer sollten auch in Zukunft ihre Arbeit schon selber machen. Aber auch ihr seid gefordert: seid kritisch, seid wach­sam, informiert Euch rechtzeitig und nutzt dazu alle verfügbaren Quellen. Die Bundeswehr überfällt euch mit ihrem riesigen Werbe-Etat. Ich empfehle euch die Veranstaltungen und Webseiten der DFG-VK: DFG-VK Hessen, DFG-VK Mainz - und noch eine sehr informa­tive Seite lege ich euch ans Herz: die der In­formationsstelle Militarisierung, IMI-online.de

Ich werde hier gleich noch entsprechende Flyer mit den Links verteilen.

Die Bundeswehr hat am Hindukusch nichts verloren,
die Bundeswehr hat im Kongo nichts verlo­ren,
und genau so wenig hat sie an eurer Schule etwas verloren!

Ich wünsche Euch viel Erfolg!

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Letztes Update: 01.07.2010, 09:23 Uhr