Aktuell > DFG-VK-Rede bei Bildungsstreik in Friedberg: Bundeswehr raus aus Schulen!
Liebe Freundinnen und Freunde,
Schön, dass so viele hier zusammengekommen sind, um den längst fälligen Wechsel in dieser katastrophalen Bildungspolitlik einzufordern. Ich vertrete die DFG-VK, das ist die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, und möchte mich hier mit einem besonderen Aspekt befassen, der verstärkten Präsenz der Bundeswehr an den Schulen.
Die Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Inzwischen ist es trauriger Alltag, dass sich deutsche Soldaten in Afghanistan, im Kosovo, Kongo, im Golf von Aden und anderswo herumtreiben. Vor 20 Jahren konnte sich das kaum jemand vorstellen. Immer mehr Menschen lehnen diese Politik ab und immer weniger sind bereit,
Soldat zu werden und für so genannte „deutsche Interessen“ in den Krieg zu ziehen.
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Die Bundeswehreinsätze in aller Welt (und womöglich bald im Inland) entbehren nicht nur jeder ethisch vertretbaren, sondern auch jeder völkerrechtlichen Grundlage, selbst mit den Maßstäben des Militarismus gemessen: Weder Deutschland noch sonst ein Natostaat ist derzeit militärisch bedroht. Die Nato - einschließlich der Bundeswehr - hat spätestens mit dem Ende des Warschauer Paktes jede Existenzberechtigung verloren. Als neues Feindbild muss bekanntlich der internationale Terrorismus herhalten. Das dumme ist bloß, dass Terrorismus mit militärischen Mitteln überhaupt nicht wirksam bekämpft werden kann.
Die Bundeswehr schützt niemanden, sondern stellt im Gegenteil, dort wo sie auftaucht eine Bedrohung dar. Internationale Hilfsorganisationen beklagen seit Jahren, dass die steigende Militärpräsenz ihre vorher erfolgreiche Arbeit behindert, gefährdet und oft unmöglich macht. Das geschieht selbstverständlich nicht aus Ahnungslosigkeit oder Hilflosigkeit der Verantwortlichen. Nein, es wird immer unverblümter zugegeben, dass schlichte wirtschaftliche Interessen dahinter stehen.
Die Bundeswehr ist unbeliebt. Zugleich braucht sie aber, wie das aktuelle Weißbuch sagt, jährlich 20.000 junge Frauen und Männer, „gut ausgebildete, gleichermaßen leistungsfähige wie leistungswillige Soldatinnen und Soldaten“. Also betreibt sie Image-Pflege, veranstaltet Events für Jugendliche, wirbt im Internet, in Zeitungen, im Kino und im Fernsehen für den Soldatenberuf, Wehrdienstberater versuchen in Arbeitsagenturen arbeitslose Jugendliche zu rekrutieren, Jugendoffiziere und Wehrdienstberater kommen zu Euch in die Schulen und Universitäten.
Die Bildungsminister von vier Bundesländern haben bisher sogenannte Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr getroffen, zuletzt das SPD-regierte Rheinland-Pfalz. Hier in Hessen bahnt sich ebenfalls eine solche Vereinbarung an. Die Inhalte sind sich alle ähnlich, teilweise sogar wortgleich, und wenn man sich das mal durchliest, hat das wenig mit der beschworenen Vielfalt und Demokratie zu tun.
Da werden Lehrer und Referendare von der Bundeswehr ausgebildet. Es gibt einseitiges Unterrichtsmaterial, Bundeswehrbesuche und von Soldaten gestaltete Unterrichtseinheiten mit Abiturprüfungsinhalten! So werden einseitig militaristische Inhalte verschleiert und arglosen Schülern als angeblich neutraler Lernstoff untergejubelt. Damit dienen diese Kooperationsvereinbarungen wohl kaum der eigenständigen Auseinandersetzung mit der Friedensproblematik, sie dienen vielmehr der Manipulation und der Rekrutierung, und das ist ein Skandal sondergleichen!
In Rheinland-Pfalz reichten deshalb 300 Unterzeichner eine Petition an den Landtag ein, die die Rücknahme der Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundeswehr und dem Bildungsministerium fordert.
Es liegt bereits eine Antwort des Bürgerbeauftragten vor, und die rheinland-pfälzischen Friedensgruppen haben ihrerseits ihre Position noch einmal klargestellt und erweitert, und fordern jetzt endlich eine öffentliche Debatte darüber, ob die Bundeswehr diesen privilegierten und von der SPD geförderten Zugriff auf Schüler, und das heißt zum Großteil auf Minderjährige, haben darf.
Jonas Becker von der Katholischen Studierenden Jugend forderte: "Wenn die SPD-Landesregierung an der Kooperation mit den eh schon privilegierten Jugendoffizieren und Rekrutieren festhalten sind jetzt Schüler, Eltern und Lehrer gefordert, an Ihrer Schule dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr keinen Zutritt erhält. Die politische Bildung - auch in Fragen der Sicherheitspolitik - gehört in die Hand der dafür ausgebildeten pädagogischen Fachleute und nicht in die von Jugendoffizieren."
Was das konkret bedeutet, erläutert Markus Pflüger von der AG Frieden Trier: "Politische Bildung muss sich nach den Mindestanforderungen des Beutelsbacher Konsenses richten, also dem Überwältigungsverbot, dem Kontroversitätsgebot und der Schülerorientierung. Die Rahmenvereinbarung des Bildungsministeriums mit der Bundeswehr verstößt aber gegen diese anerkannten Grundsätze".
"Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen - Jugendoffiziere können dies per Auftrag nicht, sie sollen die Akzeptanz für die von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnten Kriegseinsätze inklusive immenser Rüstungsausgaben erhöhen."
"Es ist nicht erlaubt, Schüler im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern. Diese Arten der Erziehung werden vom Beutelsbacher Konsens nicht als Erziehung zur kritischen Loyalität, sondern als Indoktrination bezeichnet." darauf verweist Tim Lösch von der GEW-Hochschulgruppe Trier und weiter: "Die Bundeswehr verstößt zudem gegen das Rheinland-pfälzische Schulgesetz, das Lehrkräften eine differenzierte Darstellung von Themen vorschreibt: 'Jede einseitige Unterrichtung und Information ist unzulässig.'"
Liebe Freundinnen und Freunde - Ich komme langsam zum Schluss, mit einer Überlegung von Gernot Lennert von der DFG-VK Hessen: "Das Angebot des Bildungsministeriums, auch die Zusammenarbeit mit Kirchen und Anbietern von Zivil-, Friedens- oder Entwicklungshilfediensten weiter zu intensivieren, klingt auf den ersten Blick positiv, allerdings ändert dies nichts an unserer grundsätzlichen Kritik an der Rahmenvereinbarung mit der Bundeswehr. Auch von einem gleichberechtigten Beitrag kann nicht die Rede sein. So ist die Bundeswehr mit einem jährlichen Etat von 27 Millionen Euro für die Nachwuchswerbung ausgestattet und beschäftigt didaktisch geschulte und hauptberuflich tätige Jugendoffiziere und Wehrdienstberater. Diese Ungleichheit an finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen würde auch durch einen Kooperationsvertrag mit zivilgesellschaftlichen Gruppierungen nicht behoben - eine solche Kooperation könnte sogar einer Legitimierung der Bundeswehrkooperation dienen."
Also, liebe Leute: Eure Lehrer sollten auch in Zukunft ihre Arbeit schon selber machen. Aber auch ihr seid gefordert: seid kritisch, seid wachsam, informiert Euch rechtzeitig und nutzt dazu alle verfügbaren Quellen. Die Bundeswehr überfällt euch mit ihrem riesigen Werbe-Etat. Ich empfehle euch die Veranstaltungen und Webseiten der DFG-VK: DFG-VK Hessen, DFG-VK Mainz - und noch eine sehr informative Seite lege ich euch ans Herz: die der Informationsstelle Militarisierung, IMI-online.de
Ich werde hier gleich noch entsprechende Flyer mit den Links verteilen.
Ich wünsche Euch viel Erfolg!
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