Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Laudatio

von Dr. Deborah Schnabel, Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt,

bei der Vierten Verleihung des Bertha-von-Suttner-Friedenspreises für die Jugend 2025

Frankfurt, Montag, 30. Juni 2025

 

Liebe Schüler*innen und Lehrkräfte,

liebe Familien und Gäste,

vor zehn Tagen, am 20. Juni, war der jährliche Weltflüchtlingstag. Ein wichtiger Tag, der auf das Schicksal von Geflüchteten und Vertriebenen auf der ganzen Welt aufmerksam macht und auf das Recht auf Asyl: Also auf das Menschenrecht, in einem anderen Staat Zuflucht zu finden, wenn in der eigenen Heimat ein Leben in Frieden und Sicherheit nicht mehr möglich ist. Mehr als 122 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, die höchste jemals gemessene Zahl Geflüchteter, im vergangenen Jahrzehnt hat sie sich etwa verdoppelt.[1]

Warum ich das hier und heute erwähne? Weil Flucht eine unmittelbare Folge von Krieg und Katastrophen, Terror und Unterdrückung, von Armut und Hoffnungslosigkeit ist. Dass wir in Deutschland und weiten Teilen Europas heute in Frieden und Sicherheit leben, ist ein großes Glück und leider alles andere als selbstverständlich. Vielerorts auf der Welt sieht es anders aus und auch bei uns gibt es viele Menschen, die vor Kriegen fliehen mussten oder Sorge um Angehörige in Kriegsgebieten haben. Möglicherweise sind auch einige von euch, euren Freund*innen oder Verwandten davon betroffen.

Unsere Welt ist vernetzt, wir stehen in Beziehung zueinander – und selbst, wenn die Kriege in der Ukraine und im Sudan, in Gaza, im Jemen oder Kongo weit weg erscheinen, betreffen sie auch uns. Wir Menschen sind leider fähig, uns gegenseitig unfassbares Leid und Unrecht anzutun – aber unser Menschsein zeichnet auch aus, dass wir Mitgefühl empfinden,  Mut zeigen und aktiv füreinander eintreten können. Es ist an uns allen, uns für ein besseres, gerechteres, friedlicheres Miteinander einzusetzen und die Hoffnung nicht zu verlieren, dass Frieden möglich ist.

Alle, die sich mit ihren Einsendungen am Bertha-von-Suttner-Friedenspreis für die Jugend beteiligt haben nähren diese Hoffnung. Es erfüllt mich mit ganz besonderer Freude, einigen von ihnen, deren Projekte  die Jury besonders überzeugen konnten, heute hier in der Jugendkirche JONA auszeichnen zu dürfen. Bevor ich mit den Preisträger*innen des 3. Platzes beginne, möchte ich um einen kräftigen Applaus bitten für alle jungen Menschen, die heute wegen ihres Engagements für den Frieden hier sind, jenen, die sich am Wettbewerb beteiligt haben und allen jungen Menschen, die füreinander und für eine bessere Welt eintreten.

 

Zwei dritte Plätze an drei Personen

Ich freue mich, nun einige Worte an die Preisträger*innen richten zu dürfen. Der dritte Platz des Bertha-von-Suttner-Friedenspreises für die Jugend geht an Theo Köhler, sowie an die Gemeinschaftsarbeit von Sara Drmic und Louise Döring – alle drei besuchen die IGS Nordend, hier in Frankfurt. Theo besucht die 6. Klasse, Sara und Louise die 8. Klasse. Sie haben das englische Wort für Frieden, Peace, wörtlich genommen und in Kunst gegossen und gestaltet.

Theo Köhler

Theo, dein Projekt ist dem Namen nach doppeldeutig: Du hast ein Piece geschaffen, mit I-E, so nennt man auf Englisch gesprühte Graffiti-Wandbilder. Das Wort, das du gesprüht hast, klingt gleich, aber mit E-A geschrieben steht Peace für Frieden.

Du hast in deiner Begleitmail geschrieben, dass du oft in einen Jugendtreff gehst, den auch viele Kinder besuchen, die vor Kriegen flüchten mussten. Dort, im Naxosatelier, kommt ihr zusammen, chillt, esst, zeichnet zusammen – und greift, um auf Bertha Suttners Ausruf „Die Waffen nieder!“ Bezug zu nehmen, statt zu Waffen, zu Sprühdosen. Euer Miteinander findet künstlerischen Ausdruck in deinem Peace-Piece, das eine Stellungnahme für den Frieden abgibt, in Farbe und Großbuchstaben auf den Stein einer Mauer gesprüht, für alle sichtbar im öffentlichen Raum der Großstadt.

Dass du mit den Sprühdosen (Cans) umgehen kannst und deine eigene Handschrift als Writer, Sprayer hast, ist das eine. Dass du Graffiti, das seit Anbeginn Teil der HipHop-Kultur ist, als Ausdrucksmittel gewählt hast, ist aber auch auf symbolischer Ebene interessant. Denn HipHop, mit seinen Säulen Rap und DJing, Breakdance und eben auch Graffiti, ist von seinen Ursprüngen her eine Subkultur, eine Bewegung, die für Frieden steht. Das mag widersinnig klingen, wenn man damit gewaltverherrlichende Lyrics und Schießereien unter Rappern verbindet, aber im Ursprung ging es HipHop darum, dass junge Menschen in teils schwierigen Lebensumständen ein Ventil finden, einen Weg, sich künstlerisch miteinander zu messen. Statt mit Fäusten oder Waffen aufeinander loszugehen, haben sie sich in Battles, Wettkämpfen miteinander auseinandergesetzt, Frust und Wut in sozialkritische Texte fließen lassen oder mit Farbe an Hauswänden Position bezogen. Bis heute können sich junge (und ältere) Menschen auf der ganzen Welt damit in Verbindung setzen. Dein Peace-Piece, lieber Theo, stellt sich in diese Tradition, setzt eine klare Botschaft für den Frieden und zeigt, dass wir uns über Unterschiede und Grenzen hinweg miteinander in Verbindung setzen können.

Sara Drmic und Louise Döring

Liebe Sara, liebe Louise: Auch ihr habt das Wort „Peace“ künstlerisch gefasst. Statt massiven Stein, wie bei Theo, ziert eure Friedensbotschaft zart erscheinenden und doch strapazierfähigen Stoff. Aus verschiedenen Stoffen habt ihr eine Fahne zusammengenäht und das Wort Peace darauf gemalt. Ihr schreibt dazu: „Unsere Fahne besteht aus bunten Stoffresten, was die Vielfalt unserer Menschheit repräsentieren soll.“ Und dass ihr eine Fahne und das eingängige, international bekannte Wort Peace gewählt habt, um möglichst viele Menschen zu erreichen – gut und von weitem sichtbar und für alle verständlich.

Auch euer Projekt zeigt neben dem künstlerisch-handwerklichen Geschick und eurer Teamfähigkeit Gespür für politische Zusammenhänge und Symboliken. Denn Fahnen können natürlich auch trennen: Als Nationalsymbole, Wahrzeichen von Staaten ziehen sie Grenzen und beziehen Position für das eigene und gegen die vermeintlich anderen. Immer wieder sind Flaggen in der Geschichte tatsächlich oder im übertragenen Sinne mit Blut befleckt worden. Sie können aber auch Ausdruck von Gemeinschaft sein, die ganz unterschiedliche Menschen innerhalb der Grenzen eines Staates verbindet oder die Hoffnung jener nährt, die für das Recht auf einen eigenen Staat eintreten. Eure Patchwork-Peace-Flagge überschreitet diese Grenzen, indem sie Unterschiedliches zusammenfügt, mit sichtbaren Nähten, und so ein Zeichen dafür setzt, dass für Frieden einzutreten vor allem bedeutet, über Unterschiede hinweg zusammenzustehen und etwas starkes, Neues zu schaffen.

Theo, Sara, Louise – ob das Graffiti-Piece, das übermalt werden könnte oder die Fahne, deren Stoff zerreißen kann: eure Arbeiten zeigen auch, dass Frieden zerbrechlich ist, kein Dauerzustand, sondern ein Ideal, für das es stetig weiter aktiv einzutreten gilt, das gestärkt, neu aufgebaut, repariert werden muss. Tretet weiter so aktiv dafür ein! Ich freue mich, euch nun den dritten Preis überreichen zu dürfen.

 

2. Platz, Projekt Mittendrin

Wir kommen nun zum zweiten Platz, der eine wahre Teamleistung auszeichnet: 20 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren, die gemeinsam das Projekt „Mittendrin“ besuchen, eine Betreuungseinrichtung der Kathinka-Platzhoff-Stiftung in Hanau, haben gemeinsam eine ganze Welt geschaffen. Der 2. Platz des Bertha-von-Suttner-Friedenspreises für die Jugend geht an euch alle, zusammen mit euren vier Betreuer*innen!

Hallo „Mittendrin“: Bei eurer Einsendung war man im wahrsten Sinne direkt mittendrin und dabei, wie ihr mit Kleister und Papier, mit Pinsel und Farbe, eine Weltkugel aus Pappmaché gebastelt, gemeinschaftlich bemalt, mit Handabdrücken und Friedensbotschaften verziert habt. Es war toll, in eure Fotos und Videos einzutauchen, zu sehen, wie ihr gemeinschaftlich zusammengearbeitet, euch unterstützt und beraten und Hand in Hand ein farbenprächtiges Symbol für den Frieden geschaffen habt. Euer Globus zeigt die ganze Welt mit ihren Länder- und Erdteilgrenzen, aber diese werden überlagert von euren bunten Handabdrücken, von eurem Lachen und euren Worten, von einer Friedenstaube.

Auf bunten Zetteln habt ihr notiert, was Frieden für euch bedeutet: „Frieden ist, wenn keine Bomben fallen“ (Kremena, 10), „Liebe, Glück, Lachen, Freunde“ (Samir, 9), kurz: „Frieden ist für die Welt gut“ (Elena, 10).

Ja, Frieden ist für die Welt gut und es ist so toll und wichtig, dass ihr alle gemeinsam euch dafür einsetzt. Ich freue mich, euch den zweiten Preis überreichen zu dürfen und wünsche euch, dass ihr noch oft gemeinsam zusammenkommt, um die Welt mit eurem Miteinander zu einer besseren zu machen.

 

1. Platz: Friedensstifter AG der Lessing-Schule Erzhausen

(Sophie Elisa Müller 4b, Ryan Sunil Antony 4b, Louis Wolf 4b, Melina Mernberger 4b, Ragna Liebhaber 4b, Johanna Eggers 4c, Laylan Alkadi 4c, Yanet Eyob 4c, Benedikt Kaiser 4d, Louis Seipel 4d, Florian Michel 4d, Adriana Rußmann (UBUS-Kraft/Sozialpädagogin))

Nach dem verdienten Applaus für unsere Zweit- und Drittplatzierten freue ich mich nun den Hauptpreis verkünden zu können. Der erste Platz des Bertha-von-Suttner-Friedenspreises für die Jugend geht an die Friedensstifter AG der Lessing-Schule Erzhausen, herzlichen Glückwunsch!

Liebe Friedensstifter AG, Adriana Rußmann, Sophie Elisa, Ryan Sunil, Louis, Melina, Ragna, Johanna, Laylan, Yanet, Benedikt, Louis und Florian,

Frieden zu schaffen und zu erhalten ist nicht leicht, ist (harte) Arbeit – es ist toll, dass ihr euch als Arbeitsgruppe dieser Aufgabe angenommen und über viele Wochen hinweg daran mitgewirkt habt, ein friedliches Miteinander an eurer Schule zu fördern und zu sichern. Ihr habt euch mit den Themen Konfliktlösung, Friedensarbeit und Gewaltprävention beschäftigt. Ihr seid Viertklässler*innen, also die Großen an eurer Grundschule, und als wahre Friedensstifter*innen habt ihr Ideen entwickelt, wie ihr all das, was ihr schon über den Frieden gelernt habt, an die Jüngeren und alle Klassen, die nach euch eure Schulgemeinschaft gestalten werden, weitergeben könnt.

Ihr habt diskutiert, gemalt, geschrieben und fotografiert und ein ganzes Heft gestaltet, das aktuellen und künftigen Schüler*innen der Lessing-Schule Erzhausen Anregungen bietet, wie sich Frieden schaffen lässt. Ob die Ersten Klassen mit dem „Kleinen Wir“ arbeiten, die Zweiten Klassen „Giraffensprache“ lernen, die Drittklässler*innen als Friedensstifter*innen ausgebildet werden oder die vierten, wie ihr, aktiv in der AG mitarbeiten: In eurem Heft habt ihr genau aufgeschrieben und illustriert, wie es geht, wenn ihr als große Vorbilder nicht mehr an der Schule seid.

Ob es friedlich weitergeht an der Lessingschule, das habt ihr dann nicht mehr in der Hand – denn ein friedliches Miteinander hängt immer von allen ab, die Teil dieser Gemeinschaft sind. Aber ihr habt Ideen und Hoffnung an eurer Schule gestiftet, dass es friedlich weitergeht – und so, wie ihr euch als Friedensstifter*innen schon in der Grundschule engagiert habt, bin ich sehr frohen Mutes, dass ihr auch auf euren weiterführenden Schulen und überall dort, wo das Leben euch so hinführt, weiter engagiert für den Frieden eintreten werdet.

Bevor ich gleich die Bühne verlasse, möchte ich aber auch noch einmal alle anderen im Saal adressieren, auch die Erwachsenen: So wie die Kinder und Jugendlichen mit ihren tollen Projekten es vorgemacht haben, ist es auch an uns Erwachsenen, Initiative zu ergreifen, Anregungen zu geben und mitzufühlen mit dem Leid anderer, Haltung zu zeigen gegen Ungerechtigkeit, gegen Rassismus, Antisemitismus und jede andere Form der Menschenfeindlichkeit, die den gesellschaftlichen Frieden gefährden, zu Hass und Gewalt führen.

Als Bildungsstätte Anne Frank setzen wir uns mit unseren Bildungsprojekten dafür ein, Menschen über die historischen und gegenwärtigen Formen von Rassismus und Antisemitismus zu informieren und ihnen Mittel und Wege aufzuzeigen, aktiv gegen Diskriminierung, Erniedrigung und für ein demokratisches Miteinander einzutreten. Das ist kein einmaliger Schritt, sondern eine Daueraufgabe für uns alle, die wir in unserer pluralen, vielfältigen Gesellschaft und in einer noch viel vielfältigeren Welt zusammenzuleben. Das Engagement der jungen Menschen hier im Saal kann uns dabei ein Vorbild sein.

Ich freue mich, nun die Friedensstifter-AG der Lessingschule auf die Bühne zu bitten und euch den Ersten Bertha-von-Suttner-Friedenspreis für die Jugend zu übergeben, herzlichen Glückwunsch!

[1] Vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/unhcr-weltfluechtlingsbericht-102.html , https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen , https://www.unhcr.org/de/news/pressemitteilungen/zahl-der-vertriebenen-weltweit-erneut-gestiegen-0

Letztes Update: 26.06.2025, 11:33 Uhr