Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Nein zu Kriegs- und Zwangsdiensten!

Rede von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Hessen

bei der Kundgebung des Bündnisses Friedlicher Hessentag, Pfungstadt, 10. Juni 2023



Die Bundeswehr wirbt hier beim Hessentag um Freiwillige. Bis 2011 hat sie noch junge Männer zum Dienst gezwungen. Doch die sogenannte Wehrpflicht wurde nur ausgesetzt, aber nicht abgeschafft. Männer sind gemäß dem nach wie vor gültigen Wehrpflichtgesetz zum Kriegsdienst verpflichtet, aber niemand wird zurzeit zwangsweise gemustert oder zur Bundeswehr oder zum Zivildienst einberufen. Der Bundestag kann die Zwangsrekrutierung jederzeit reaktivieren, und sie tritt im Spannungs- und Verteidigungsfall automatisch wieder in Kraft.

Warum sage ich sogenannte Wehrpflicht? Wehrpflicht und Wehrdienst und davon abgeleitete Begriffe suggerieren bezüglich des zwischenstaatlichen Verhältnisses, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sogenannte Wehrdienstleistende schon viele Angriffskriege geführt. Das gilt gerade für Deutschland. Im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelingt, sich erfolgreich gegen die Rekrutierung zum Militär zu wehren. Deshalb verwende ich diese sachlich unzutreffenden und realitätsverschleiernden Propagandabegriffe nicht.

Seit den 1990er Jahren wurde in vielen Staaten Europas der Zwang zum Militärdienst abgeschafft oder ausgesetzt. Doch 2013 kehrte sich dieser Trend um. Es häufen sich auch in Deutschland die Rufe nach Reaktivierung des Zwangsmilitärdiensts und nach zivilen Zwangsdiensten. Lange verlangte das außer der AfD kaum jemand, inzwischen kommen solche Forderungen auch aus der SPD. Oft werden keine militärischen Argumente angeführt, sondern vermeintliche Vorteile einer Dienstpflicht wie mehr Zusammenhalt, weniger Egoismus und Bekämpfung des Rechtsextremismus. Militär und Heldentod fürs Vaterland sind nach zwei Weltkriegen nicht mehr populär. Wer also Zwang zum Militärdienst will, tut gut daran, zuerst vermeintlich gesellschaftlich akzeptable zivile Dienstpflichten zu fordern.

Ein weiterer Vorstoß kam vergangene Woche von der Wehrbeauftragten Högl. Sie fordert, nach dem Vorbild Schwedens, wo alle militärdienstpflichtig sind, aber nur etwa 4% eines Jahrgangs einberufen werden, alle männlichen und weiblichen Jugendlichen einer militärischen Musterung zu unterziehen, um Personal für die Bundeswehr und andere Dienste zu gewinnen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Musterung eine demütigende und entwürdigende Prozedur ist mit dem Zweck zu entscheiden, ob ein Mensch in Militär und Krieg geschickt werden kann. Eine erzwungene Musterung ist eine Menschenrechtsverletzung, die keinem Menschen zugemutet werden sollte.

Die Wehrbeauftragte Högl ist bekannt für menschenfeindliche und absurde Vorschläge. 2020 forderte sie als Maßnahme gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr die Reaktivierung der sogenannten Wehrpflicht. Sie wollte also unschuldige Menschen in Kasernen mit Rechtsextremen zusammenpferchen, um das Rechtsextremismus-Problem der Bundeswehr zu verringern.

Die Gefahr, dass Jugendliche wieder ins Militär und in entrechtete Arbeit in Ersatzdiensten gezwungen werden, wächst. Es ist damit zu rechnen, dass, wie anderen Ländern auch, auch Frauen betroffen sein werden.

Seit dem Ukraine-Krieg wächst die Angst, in die Bundeswehr oder gar in einen Krieg gezwungen zu werden. Manche empfehlen, vorsorglich einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen, Bei diesen Empfehlungen wird oft einiges nicht bedacht, das ich hier nicht weiter ausführen kann. Am Wichtigsten: Seit 2011 werden nur Anträge auf Kriegsdienstverweigerung bearbeitet, die von Soldaten und Soldatinnen oder Reservisten und Reservistinnen oder von tauglich Gemusterten kommen, aber nicht Anträge von sogenannten "Ungedienten". Sinnvoll ist in der Regel ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung für Reservisten und Reservistinnen, um Reserveübungen oder die Einberufung zur Bundeswehr im Spannungsfall zu vermeiden. Bei Soldaten und Soldatinnen hängt es vom Einzelfall ab, ob Kriegsdienstverweigerung der beste Weg ist, um aus der Bundeswehr herauszukommen. Die Situation ist für verschiedene Kategorien von Betroffenen sehr unterschiedlich. Dazu beraten wir gerne.

Damit niemals wieder Menschen zu Musterungen und Gewissensprüfungen, zu Militärdienst und anderen Zwangsdiensten gezwungen werden, wäre es am besten, dafür zu sorgen, dass der Kriegsdienstzwang nicht nur ausgesetzt bleibt, sondern ganz abgeschafft wird.

Nein zu allen Kriegs- und Zwangsdiensten!

Nicht nur Aussetzung, sondern Abschaffung der Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst!

Für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in aller Welt!

 

Letztes Update: 12.06.2023, 09:12 Uhr