Aktuell > Osterspaziergang in Marburg
Im beschaulichen Marburger Ortsteil Bortshausen ist im Mai 2011 ein altes Kriegerdenkmal aus dem 19. Jahrhundert von der „Kameradschaft Marburger Jäger“ aufgestellt worden – ohne die Bürger zu informieren und ohne jeden sinnvollen Bezug zum Ort. Entgegen anfänglicher Verlautbarungen wurde das absurde Vorhaben durch den Marburger Magistrat unterstützt. Jetzt geht es dort zu wie auf einem Militärgelände.
Die „Kameradschaft Marburger Jäger“ beschönigt die Vergangenheit einer Militäreinheit, die an vielerlei Verbrechen des deutschen Imperialismus beteiligt war. Der militärische und rückwärtsgewandte Traditionsverein unterhält Kontakte, die in das rechte und neofaschistische Lager führen.
Trotz anhaltender Proteste seitens einer Bürgerinitiative, verschiedener friedensbewegter Gruppen und sogar der Stadtverordnetenversammlung steht das Denkmal noch immer. Immerhin hat die Stadt Marburg mittlerweile 10.000€ für ein Forschungsprojekt zur kritischen Aufarbeitung der Jägergeschichte bereitgestellt.
Das drei Meter hohe Kriegsdenkmal wird in einer Zeit aufgestellt, in der die Militarisierung unserer Gesellschaft deutlich zunimmt. Deutschland beteiligt sich an Kriegen und die „Heimatfront“ soll daran gewöhnt werden.
Deshalb gehen wir am Ostermontag für Frieden und eine solidarische Gesellschaft von Marburg nach Bortshausen.
Wir wenden uns gegen:
Unsere Forderungen:
Warum ein Osterspaziergang?
Spaziergänge zu Ostern haben eine lange Geschichte in der Friedensbewegung. In den 1960er Jahren gingen zehntausende Menschen gegen atomare Bewaffnung und nukleares Wettrüsten auf die Straße, später erreichte die Ostermarschbewegung mit den Aktivitäten gegen die Stationierung von US-Raketen in der BRD, den sog. NATO-Doppelbeschluss, einen weiteren Höhepunkt. Auch heute gehen jährlich viele Menschen auf die Straße, um gegen die neuen Kriege in der Welt zu demonstrieren. Der letzte „Ostermarsch“ in Marburg fand vor über 10 Jahren statt. Es ist an der Zeit, sich wieder für Frieden auf den Weg zu machen.
UnterstützerInnen (Stand 19.3.12):
Das Kriegsdenkmal
In unmittelbarer Nähe zum alten Ortskern von Bortshausen wurde von der Kameradschaft Marburger Jäger / 2. Panzergrenadierdivision im Mai 2011 ein über drei Meter hohes steinernes Kriegsdenkmal mit eisernen Kreuzen und der Aufschrift „Mit Gott, für König und Vaterland“ aufgestellt. Die Dorfbewohner_innen wurden bis heute über den Vorgang weder informiert noch befragt. Die Einweihung des Denkmals geschah mit militärischen „Ehren“ und Blaskapelle sowie unter Beteiligung uniformierter Fackelträger.
Deutschland führt wieder Krieg(e)
Mit der Bombardierung Jugoslawiens durch die bundesdeutsche Luftwaffe im Jahr 1999 führte das NATO-Mitglied Deutschland zum ersten Mal seit 1945 wieder aktiv Krieg. Der positive Bezug zu Militär und Krieg – auch hier in der oberhessischen Provinz - passt der moralischen Mobilmachung der Bevölkerung zu den Kriegseinsetzen der Bundeswehr in Afghanistan, in Afghanistan, am Horn von Afrika und anderswo. Die Bundeswehr versteht sich als Interventionsarmee, deren Aufgabe in den Verteidigungspolitischen Richtlinien so beschrieben wird: „Verteidigung der Märkte und Rohstoffquellen weltweit“.
Die Marburger Jäger vor 1918
Die Marburger Jägereinheiten waren an einer Vielzahl von Verbrechen des deutschen Militarismus beteiligt. Sie unterstützen 1871 die französische Armee bei der Zerschlagung der ersten Arbeiterrepublik der Pariser Kommune. Im Jahr 1900 waren die Marburger Jäger an der Niederschlagung des Boxeraufstandes in China (Wilhelm II: "Gefangene werden nicht gemacht!") beteiligt. 1904/05 rückten sie nach Namibia gegen rebellierende Einheimische aus. Nur knapp 20.000 von 80.000 Herero und 20.000 von 40.000 Nama überlebten den Völkermord, bei dem die Marburger die Treffsicherheit ihrer neuen Gewehres (98K) erprobten.
… nach der Novemberrevolution
Nachdem die Jäger 11 im November 1918 nach Marburg zurückkamen, holten sie zunächst die rote Fahne vom Kasernendach und setzten den Marburger Arbeiter- und Soldatenrat ab. Die Reserve-Jäger 11 waren vor ihrer endgültigen Rückkehr noch mit "Ordnungsaufgaben" in Oberschlesien betreut, wie den amtlichen Kriegstagebüchern zu entnehmen ist: "... so standen die tobenden Massen [=Demonstranten] vor uns. (...) Jetzt richtete man das Maschinengewehr auf die Menge. 16 oder 17 Tote und 21 grässlich Verwundete ließ die Masse zurück. (...) Darauf sind wir 11. Reserve-Jäger stolz." Zwar wurden die Jägereinheiten aufgelöst, aber in der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte blieben die Jäger als Studenten oder als Soldaten in der Jägerkaserne präsent. Letztere bewaffneten das Marburger Studentenkorps, welches 1920 in Thüringen 15 Arbeiter auf einem Transport ermordete.
SA-Standarte Jäger/11
1933 übernahm die Marburger SA offiziell die Tradition der Marburger Jägerbataillone: sie nannte sich ab nun SA-Standarte Jäger/11. Diese organisierte den Boykott jüdischer Geschäfte, die Verfolgung von Sozialdemokrat_innen, Kommunist_innen und Gewerkschafter_innen, Terrormaßnahmen gegen die jüdischen Bürger_innen und zerstörte im November 1938 die jüdische Synagoge Marburgs. 1945 wurden die Jäger/11 durch die Alliierten verboten.
Traditionsverein Kameradschaft Marburger Jäger
60 Jahre nach Auflösung der Jägermilitärverbände und 34 Jahre nach dem Jäger-SA-Verbot gründete sich 1979 eine "Kameradschaft Marburger Jäger". Dieser militärische Traditionsverein hat Verbindungen und Kontakte, die ins rechte und neonazistische Lager führen. Die Kameradschaft hat nie den Versuch unternommen, die Rolle ihrer Mitglieder während des Deutschen Faschismus aufzuarbeiten. So verwundert es nicht, dass auch SS-Mitglieder und Nazi-Richter wie Helmut Günther und Erich Schwinge in die Kameradschaft Marburger Jäger integriert wurden. Wiederholt waren bei Veranstaltungen der Kameradschaft Marburger Jäger Referenten zu Gast, die in der rechten Szene Rang und Namen haben, wie der rechte Publizist Hans-Ulrich Kopp (Mitglied der radikalen Burschenschaft Danubia München, Mitglied des rechtsextremen Witikobundes), der in Verfassungsschutzberichten erwähnte Ex-Soldat Alfred Mechtersheimer (Autor in Publikationen der „Neuen Rechten“) und Ex-Republikaner Emil Schlee.
Bortshausen ist kein Militärgelände und braucht auch im 21. Jahrhundert keinen rückwärtsgewandten Kriegsheldenkult aus dem vorvorigen Jahrhundert!
Gegen alten und neuen deutschen Militarismus, Geschichtsrevisionismus und Rechtspopulismus
Für Frieden und eine solidarische Gesellschaft