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Online-Podiumsdiskussion am 26. Juni 2023 mit
so lautete der Titel der Online-Podiumsdiskussion am 26. Juni 2023 und dieser impliziten Ankündigung kam die Veranstaltung auch nach.
Ein hochkarätiges Podium blickte aus unterschiedlichen Perspektiven auf das im Oktober veröffentlichte Eckpunktepapier und hatte wichtige Botschaften für die jeweils anderen Diskutant:innen mit dabei. Neben Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und federführend bei der Erarbeitung des geplanten Rüstungsexportkontrollgesetzes, diskutierten an diesem Abend Simone Wisotzki von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, MdB Ralf Stegner (SPD) sowie Anwalt und Aktivist Holger Rothbauer.
Hintergrund der Veranstaltung ist die Ankündigung der Ampelkoalition, ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz zu verabschieden, um die bisherigen Regelungen in diesem Bereich rechtlich zu verankern und eine restriktive Rüstungsexportpolitik auf politisch stabile Füße zu stellen. Nach mehreren Konsultationsrunden mit Vertreter:innen aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft hat das Wirtschaftsministerium im Oktober ein Eckpunktepapier veröffentlicht, das nun in unterschiedlichen Formaten diskutiert und kommentiert wird, so auch an diesem Abend.
Sven Giegold betonte im Laufe der Veranstaltung mehrfach, wie schwierig der Prozess der Ressortabstimmung sei. „Zwischen Baum und Borke“ befinde sich das Eckpunktepapier derzeit, und er versicherte: „Das Papier sähe anders aus, wenn ich es alleine geschrieben hätte.“ Dazu passte auch die Diskussion um das Verbandsklagerecht. Dieses würde Organisationen und Verbänden die Möglichkeit geben die rechtskonforme Anwendung des Gesetzes bei Rüstungsexportgenehmigungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Aus Sicht von Expert:innen und Kampagnen wie der Aktion Aufschrei ist das Verbandsklagerecht ein wirksamer Kontrollmechanismus und somit essentielles Instrument eines restriktiven Gesetzes. Auch die Grünen hatten sich in der Opposition lange für das Verbandsklagerecht stark gemacht – nun taucht es im Eckpunktepapier jedoch nicht auf.
Gleichwohl Sven Giegold und Ralf Stegner den Nutzen eines Verbandklagerechts sehen und dieses persönlich befürworten, hatten beide eine klare Botschaft diesbezüglich. „Verkämpfen Sie sich nicht an diesem Instrument, das es vermutlich nicht ins Gesetz schaffen wird“, betonte Giegold mit Verweis auf fehlende Mehrheiten bei den Partnern immer wieder. Auch Ralf Stegner sieht innerhalb der SPD und darüber hinaus keine Mehrheit für das Verbandsklagerecht und konstatierte: „Wichtig ist, dass wir ein restriktives Gesetz verabschieden.“ Beide Politiker empfahlen die öffentliche Aufmerksamkeit auf andere Aspekte des geplanten Gesetzes zu legen. „Pick your fights“, brachte es Stegner auf den Punkt.
Dieser Aufforderung hielt Holger Rothbauer während des Abends leidenschaftliche Plädoyers für das Verbandsklagerecht entgegen, in denen er die Perspektive der Opfer von Rüstungsexporten betonte. Auf die Publikumsfrage hin, „wie ein Verbandsklagerecht zu weniger Toten führt“, erläuterte Rothbauer die abschreckende Wirkung dieses Instrumentes und forderte schließlich das Verbandsklagerecht nicht so schnell aufzugeben. „Lassen Sie uns dem Kind einen anderen Namen geben, wenn es daran scheitert, aber seien Sie sicher: Das ist kein Teufelszeug!“, so Rothbauer.
Simone Wisotzki hob an diesem Abend die problematische Entwicklung hervor, dass Rüstungsunternehmen deutsche Exportregelungen zunehmend über ausländische Töchterfirmen umgehen. So berichtet Wisotzki: „Rheinmetall hat mittlerweile 35 Tochterfirmen“. Ihr Lösungsvorschlag lautet: „Tochterunternehmen sollten als Teil von Rüstungsexportpolitik betrachtet werden, deshalb sollten der Transfer von Know-How und Technologie mit in das Gesetz aufgenommen werden.“ Als Präzedenzfall benannte Simone Wisotzki die abgeschaffte Praxis von Lizenzvergaben im Bereich von Klein- und Leichtwaffen und schlussfolgert: „Hier hat man aus den schlimmen Fehlern der Vergangenheit gelernt.“
Als neue Information für alle Beteiligten berichtete Giegold, dass es im Gesetz keine Liste von Ländern geben solle, die den bei Rüstungsexportentscheidungen privilegierten Mitgliedern von NATO und EU gleichgestellt werden. Stattdessen werde es einen Kriterienkatalog geben, anhand dessen entschieden würde, welche Länder diesen Status erhielten. Eine Neuerung, die bei allen Diskutant:innen auf Zustimmung stieß. „Die Kriterien auszubuchstabieren ohne Länder zu benennen, das ist auf jeden Fall ein Fortschritt“, so Simone Wisotzki. Die Veranstaltung zeigte: Alle Beteiligten wünschen sich ein Rüstungsexportkontrollgesetz in dieser Legislaturperiode, wobei Simone Wisotzki noch einmal betont: „Wir brauchen klare Kriterien, denn das Gesetz muss Ermessensspielräume verkleinern, nicht vergrößern.“ Während Einigung in der Dringlichkeit der Sache herrscht, bleiben die genaue Ausgestaltung des Gesetzes und der Weg dorthin aber noch strittig. Ralf Stegner gab sich kämpferisch, angesichts einer Lage, in der Bemühungen um Frieden und Abrüstung in den Hintergrund treten: „Wir leben in einer Zeit in der Aufrüstung en vogue ist“, und fuhr fort: „Wenn der Wind von vorne bläst, dann zieht man sich warm an und geht weiter, so sagen wir das in Norddeutschland.“ Sven Giegold wünschte sich ein starkes, aber differenziertes Eintreten der Zivilgesellschaft für ein wirksames Rüstungsexportkontrollgesetz. Holger Rothbauer kündigte derweil an: „Seien Sie sich sicher, dass jeder Abgeordnete des Deutschen Bundestags von der Zivilgesellschaft angesprochen wird, wenn das Gesetz zur Beratung ins Parlament kommt.“
Kristine Andra Avram (pax christi Rhein-Main) und Daniel Untch (Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW)
Ankündigung der Poidumsdiskussion: Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Gesetz, um eine tatsächlich restriktive Rüstungsexportpraxis endlich rechtlich zu verankern. Nach Gesprächen mit Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen hat das Wirtschaftsministerium vor einigen Monaten Eckpunkte des geplanten Gesetzes veröffentlicht. Diese Eckpunkte sind in vielerlei Hinsicht begrüßenswert, weisen jedoch auch einige zentrale Leerstellen auf, wie u.a. die Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! In einer differenzierten Stellungnahme aufgezeigt hat. Im Rahmen unserer Veranstaltung möchten wir der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zu einer fundierten Diskussion über das Gesetzesvorhaben bieten.
Online-Podiumsdiskussion, Montag, 26. Juni 2023, 19:30 Uhr
Es moderierten: Kristine Andra Avram (pax christi Rhein-Main) und Daniel Untch (Zentrum Oekumene der EKHN und EKKW)
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