Aktuell > Wir feiern die Freiheit
Mit vielen Jahren Verspätung ist es nun so weit: Im Januar 2011 sind für absehbare Zeit zum letzten Mal Menschen zwangsweise zu Bundeswehr oder Zivildienst einberufen worden. Zum 1. Juli wird der Zwang auch gesetzlich ausgesetzt. Das ist ein wertvoller Freiheitsgewinn.
Ein Grund zum Feiern? Ja!
Junge Männer deutscher Staatsangehörigkeit können sich freuen: Für absehbare Zeit werden sie aufgrund der sogenannten Wehrpflicht* nicht mehr zwangsweise entwürdigenden Musterungen unterzogen, mit der Gewissensprüfung gequält, in die Bundeswehr oder in den Zivildienst gezwungen, in Arrestzellen der Bundeswehr oder Gefängnisse gesperrt.
(* Warum „sogenannte Wehrpflicht“?Begriffe wie Wehrpflicht und Wehrdienst suggerieren, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sogenannte Wehrdienstleistende, vor allem deutsche, schon viele Angriffskriege geführt. Im Verhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelingt, sich gegen die Zwangsrekrutierung zum Militär erfolgreich zu wehren.)
Doch der Zwang ist nur ausgesetzt, nicht abgeschafft. Der deutsche Staat droht im Grundgesetz und im Wehrpflichtgesetz, das es immer noch gibt, den weiterhin als „wehrpflichtig“ Geltenden damit, sie gegen ihren Willen zum Kriegsdienst zu zwingen und damit ihre Rechte auf Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit sowie ihre Freiheit auf Wahl von Beruf und Wohnort zu missachten. Der Staat verzichtet lediglich vorläufig darauf, diesen Anspruch durchzusetzen und sie zu mustern und einzuberufen. Mit dem Spannungs- oder Verteidigungsfall tritt der Zwang automatisch wieder in Kraft.
Die Absicht: Effizientere KriegführungDer Kriegsdienstzwang ist nicht ausgesetzt worden, um dem Frieden näher zu kommen oder um eine gravierende Menschenrechtsverletzung zu beenden. Es geht darum, mit einer verkleinerten und umstrukturierten Bundeswehr effizienter Krieg zu führen. Der Zwangsdienst hatte sich für diesen Zweck als unnötig erwiesen. Jahrelang war er von SPD und CDU/CSU vor allem aus ideologischen Gründen beibehalten worden. Das wurde auf Dauer zu teuer. Und es fiel immer schwerer, diesen massiven Eingriff ins Leben junger Männer zu rechtfertigen.
Seit den 1990er Jahren wird die Bundeswehr umstrukturiert: Zuvor war die Bundeswehr für einen potenziellen Krieg in Mitteleuropa gedacht. Heute ist sie weltweit aktiv. Vor 1990 galt Krieg als allerletztes Mittel zur Verteidigung, nicht als Mittel der alltäglichen Interessenpolitik. Heute wird Militär routinemäßig eingesetzt und als Problemlösung propagiert: zur Sicherung von Ressourcen und Handelswegen, wie es in den Verteidigungspolitischen Richtlinien schon lange zu lesen ist und was neuerdings auch Politiker folgenlos sagen dürfen. Auch wegen sogenannter humanitärer Zwecke wird ständig zum Krieg aufgerufen. Die Bundeswehr ist zu einer „Armee im Einsatz“ transformiert worden. Einsatz bedeutet Krieg. Das gibt inzwischen nach zehn Jahren Bundeswehr-Kriegseinsatz in Afghanistan sogar die Bundesregierung zu.
Die Bundeswehr soll keine Massenkriege mehr führen, sondern weltweit militärisch intervenieren: Technisch hochgerüstet, aber mit wenig Personal. Das will sie anwerben. Oft wird sie dabei wirtschaftliche Not, berufliche Aussichtslosigkeit, Naivität und Unwissenheit ausnutzen. In den letzten Jahren hatte sie etwa 40% ihres Nachwuchses aus den Zwangsmilitärdienstleistenden gewonnen. Auf sie kann die Bundeswehr nun nicht mehr zurückgreifen. Schon jetzt melden sich deutlich weniger Freiwillige als ursprünglich vorgesehen.
Es hat sich herumgesprochen, dass der Arbeitsplatz bei der Bundeswehr im wahrsten Sinn des Wortes todsicher sein kann und eben kein Job wie jeder andere ist. Umso intensiver wirbt die Bundeswehr: in Medien, Schulen und Fußgängerzonen, bei Jugendfestivals, Berufsbildungsmessen, beim Girls’ Day ... Die Friedensbewegung tritt diesem Werben fürs Sterben entgegen.
Verweigert die Datenweitergabe an die Bundeswehr!Gemäß § 58 des Wehrpflichtgesetzes werden zukünftig Namen und die Anschriften minderjähriger Mädchen und Jungen von den Meldebehörden an die Bundeswehr übermittelt, damit sie die Jugendlichen zwecks Rekrutierung für die Bundeswehr anschreiben kann. Der Datenübermittlung ans Militär kann aber widersprochen werden. Damit kann jeder und jede ein Zeichen gegen Krieg setzen.Für den Widerspruch genügt ein formloses Schreiben. Hier ein Formulierungsvorschlag, erarbeitet von der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung in Berlin.
Kriegsdienstverweigerung bleibt aktuell, in Deutschland und weltweit.Soldaten und Soldatinnen, die Bundeswehr oder auch die US-Armee verlassen wollen, können einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen. Wir helfen dabei.
Krieg wird nicht nur durch Militär- und Militärersatzdienst unterstützt. Auch Tätigkeiten im zivilen Arbeitsleben können direkt dem Krieg dienen, ebenso die Dienstverpflichtungen aufgrund der Notstandsgesetze.
In zahlreichen Staaten werden noch immer Menschen zum Kriegsdienst gezwungen. Diejenigen, die sich dem Krieg verweigern und verfolgt werden, wie z.B. der gerade zu drei Jahren Gefängnis verurteilte erste Kriegsdienstverweigerer in Ägypten, Maikel Nabil Sanad, benötigen Solidarität oder auch Asyl, wenn sie vor Krieg und Kriegsdienst flüchten
Die bloße Aussetzung des Zwangs zum Kriegsdienst ist nicht genug:
Es feiern:Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnenLandesverband Rheinland-Pfalz & Gruppe Mainzund alle, die sich dazugesellen
www.dfg-vk-rlp.de
www.dfg-vk-mainz.de
www.schulfrei-fuer-die-bundeswehr-rlp.de