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Römerberg, 3. Juni 2021
Liebe bewegliche Freundinnen und Freunde!
Ihr seht dort das Banner der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ mit meinen Freundinnen von pax christi - und – genau, das Verbot des Rüstungsexports ist eine unserer Haupt-Forderungen bei dieser Wanderung. Die Naturfreunde sind ja auch einer der wichtigen Mitträger-Verbände der „Aktion Aufschrei- Stoppt den Waffenhandel!“ – gemeinsam mit gut 150 anderen Organisationen. Diese Arbeitsstruktur besteht seit 10 Jahren – mit dem grundlegenden Ansatz „den Opfern eine Stimme – den Tätern ein Gesicht“. Ein wirksames Waffen-Export-Verbot umzusetzen, darum bemühen sich viele hier schon viel länger, schon seit Jahrzehnten. Umso größer jetzt unsere Freude, dass mit dem Einsatz von Greenpeace im letzten Jahr ein weiterer Zusammenschluss entstanden ist und endlich durch Greenpeace ein juristisch sehr präzise ausgearbeiteter Gesetz-Entwurf vorliegt. In unserem Grundgesetz steht, dass das deutsche Volk vom Willen beseelt ist, dem Frieden der Welt zu dienen. Aber dieses Ziel wird nicht erreicht mit Platz 4 weltweit auf der Liste der Rüstungsexporteure. Für die Überwindung dieser so beschämenden Tatsache brauchen wir andere Mehrheiten im Bundestag – brauchen wir endlich ein echtes Rüstungsexportkontrollgesetz – statt der aktuell – und das seit 60 Jahren - zwei einander widersprechenden Gesetze, nach denen die Genehmigungen vollzogen werden – mit einem Dschungel an Verordnungen, Erklärungen und vor allem Schlupflöchern.
Sehr konkret bezieht sich unsere Forderung auch auf eine Fabrik hier ganz in der Nähe – auf die MEN, Metallwerk Elisenhütte Nassau. Auch hier in Frankfurt selbst wissen wenige davon, ebenso sogar in der nahen Umgebung – diese Fabrik mit knapp 300 Beschäftigten gehört zu den allergrößten Munitionsherstellern in Deutschland. Nassau, eine Kleinstadt an der Lahn, liegt in Rheinland-Pfalz; die Kirchengrenzen sind anders, da gehört es eben zur hiesigen Ev. Landeskirche in Hessen und Nassau. Schauen wir an den Main: In vier Wochen wird mit Greenpeace hier unten ein Schiff anlegen, vor kurzem in Hamburg gestartet, mit einer Foto-Ausstellung zur Überwindung des Waffenexports. Wenn wir in die andere Richtung den Main abwärts schauen, dann den Rhein abwärts, nach Norden, sehen wir westlich Koblenz – östlich mündet die Lahn in den Rhein; dann östlich bei Lahnstein die Lahn aufwärts, Bad Ems – und schon sind wir in Nassau – weiter flussaufwärts ginge es dann nach Limburg. Heute hat die Stadt Nassau knapp 5 000 Einwohner:innen; eine bereits über 1000-jährige Siedlung, im 14. Jahrhundert die Stadtrechte erhalten; die Burg oberhalb wurde um das Jahr 1100 gegründet – das Stammhaus eines weitverzweigten Adelsgeschlechts von europäischer Bedeutung, bis zum König der Niederlande, dem Großherzogtum Luxemburg und dann 1806 dem neu errichteten Herzogtum Nassau. Der Ort hatte Heilquellen, wuchs zum Kurort, Bergbau brachte vor allem im 19. Jhdt Reichtum. Wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Innenstadt zu 80 % zerbombt, die Alliierten vermuteten schwere Waffen. Wohl gab es gewichtige Gründe; das 1869 errichtete Werk Elisenhütte unten in einem Lahnknie war auch ein Walzwerk für schmiedeeiserne Röhren. Die heutige Fabrik MEN wurde 1957 gegründet – Produktionsanlagen und Maschinen lieferte das derzeit in Berlin ansässige Unternehmen Fritz Werner (vielen sagt dieser unschuldig klingende Firmennamen etwas!). Das Ziel: „die damals neu aufgestellte Bundeswehr mit Munition zu versorgen“.
Die Eigentümer wechselten im Lauf der Jahrzehnte, heute ist die Firma zu 100 % im Besitz der brasilianischen Gesellschaft CBC Group, Companhia Brasileira de Cartuchos. Die Firma beschreibt sich so: „Wir sind ein bedeutender Arbeitgeber und stellen uns unserer Verantwortung für die Gesellschaft...“. Nun, der nur wenig jüngere Haushaltswaren-Hersteller Leifheit AG hält sinnvolle Arbeitsplätze bereit, vor allem die Stiftung Scheuern, zur Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung, bietet über 1000 Arbeitsplätze. Ja, so bedeutend ist die Patronenfabrik MEN: sie machte 2018 einen Umsatz von 67 Millionen €, produzierte im Jahr 2018 über 200 Millionen Patronen, beliefert Bundeswehr, Polizei, Zollverwaltung, „Sportschützen“, bei einem Exportanteil von wohl über 50 %. (s. Wikipedia, abgeruf. am 30.5.2021, mit Bezug auf eine Spiegel-Nachricht von 2010 – aktuellere Zahlen als von 2018 konnte ich trotz umfangreichen Bemühens an kundiger Stelle nicht erhalten!). Die MEN ist einer der bedeutendsten Hersteller kleinkalibriger Munition. Vor gut zehn Jahren hatte es innerbetriebliche Bedenken gegeben wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz bis hin zu einer Strafanzeige, die jedoch bald wieder zurückgezogen wurde. Die Firma produziert weiter und wirbt für sich mit hübschen Fotos glänzender Bilder und folgenden Worten: „Die verschiedenen Patronenarten in den verschiedenen Kalibern decken die militärischen Anforderungen ab und überzeugen in jeder Situation mit der gewünschten Leistung.“ (web-site von www.men-Defencetec.de, abgerufen am 29.5.2021, ebenso die anderen Zitate der Selbstdarstellung der Firma.) Wir sehen nun Bilder, wie vor einem Monat 200 schwer bewaffnete Polizisten in die Favela Jacarezinho im Osten Rio de Janeiros stürmten, dort wild um sich schossen und wohl über 25 Menschen ermordeten; Polizisten brauchen sich in Brasilien nicht vor Strafverfolgung zu fürchten; so kommt es, dass in kaum einem anderen Land mehr Menschen und vor allem Jugendliche bei Polizeieinsätzen getötet werden; seit Bolsonaros Amtsantritt 2018 ist ein regelrechter Waffenboom entstanden. Die MEN sieht sich so: „...Kundenorientierung steht bei uns im Vordergrund....“ - ihre Kunden spricht sie gerne an: „We serve your mission.“ Um neue Beschäftigte wirbt sie mit dieser Haltung: „Als Mitarbeiter arbeiten Sie nicht nur in einem Berufsfeld, das sich ständig wandelt und weiterentwickelt, sondern vor allem auch in einem spannenden Tätigkeitsgebiet mit Zukunft.“ Wir blicken dagegen auf eine andere Zukunft, wir möchten hinschauen - auf die Menschen, die im Zielbereich der so glänzend dargestellten Munition leben müssen. Wir fordern ein Rüstungsexportkontrollgesetz mit einem kompletten Verbot von Kleinwaffenexport und dies bedeutet ganz klar auch der dafür nötigen Munition. - Im letzten Jahr war diese naturfreundliche Friedens-Wanderung ja auch durch Nassau geplant gewesen – wir hätten da lernen können, dass unterhalb der Stammburg eine zweite Burg gestanden hatte, im 30-jährigen Krieg zerstört: das Stammhaus der Freiherren vom und zum Stein – für Frankfurter Ohren ein wichtiger Name, und drüben an der Paulskirche lässt sich ein steinernes Relief ansehen.
Dass solches Zerstören, Verstümmeln, Leben-Berauben beendet werde, dafür seid ihr unterwegs - dafür stehe ich hier für die DFG-VK, auch für die Frankfurter Gruppe von pax christi, auch als Mitglied des Versöhnungsbunds, auch für die Friedensgruppe der Ev. Französisch-Reformierten Gemeinde Frankfurt. Und kurz lenken wir unseren Blick noch genauer auf die Geopferten: In unserer Gemeinde beten wir einmal im Monat mittels der Informationen der ACAT (Aktion der Christen zur Abschaffung der Folter) für Gefolterte und vom Tod bedrohte Inhaftierte; auffällig ist, dass es häufig gerade um Länder geht, in die Deutschland Kriegsmaterialien exportiert – ganz im Gegensatz zu den hehren Verlautbarungen der Regierung. Wir beten und schreiben Briefe direkt an die zuständigen Ministerien und die Botschaft in Berlin – jetzt im Juni Briefe für Menschen im Jemen und nach Ägypten; über die Vereinigten Arabischen Emirate sind deutsche Waffen im Jemen eingesetzt worden; Ägypten lag letztes Jahr auf Platz drei der deutschen Waffen-Exporte. Dorthin schreiben wir und fordern die Aufhebung des Todesurteils – nach einem unter Folter erpressten Geständnis – für den Mönch Wael Tawadros. „Den Opfern eine Stimme“ - es geht uns nicht um Zerstörung von Arbeitsplätzen. Es geht uns – das sage ich am heutigen Feiertag besonders gerne – um Konversion, um Rüstungs-Konversion, damit alle Menschen auf eine lebenswerte Zukunft schauen können!
Gisa Luu, 3.6.2021 – für die DFG-VK-Gruppe Frankfurt/M.
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