Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Kriege beenden - den Frieden gewinnen!

Rede von Manfred Backhaus, DFG-VK,
beim Ostermarsch in Limburg, 8. April 2023

Zunächst: Dank an die Band „Nix druff“ & Begrüßung der Teilnehmenden – auch derjenigen aus Idstein

Es ist nun gut 62 Jahre her, als 1961 in der Bundesrepublik Deutschland erstmals über die Osterfeiertage für ein Ende der atomaren Bewaffnung und des nuklearen Wettrüstens in Ost und West demonstriert wurde. Ging es anfangs speziell gegen den Atomtod, so demonstrierten in den folgenden Jahren viele Tausende gegen Wettrüsten, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung. Und auch an diesen Ostertagen im Jahre 2023 werden wieder tausende von Menschen im ganzen Land auf die Straße gehen, so wie wir hier in Limburg, um dafür zu werben, das Töten in Europa und weltweit zu beenden und den Frieden zu gewinnen! Angesichts des brutalen russischen Krieges vor unserer Haustür ist dies notwendiger denn je!

Ostermarsch! Warum an Ostern? Vielleicht weil dieses Fest in unserer Gesellschaft eine besondere Symbolik hat. Da ist zum einen der Karfreitag, ein Tag des Todes und der Gewalt. Und diese Gewalt, dieses Töten, Zerstören und Vernichten, das Demütigen und Unterdrücken, das alles haben wir zur Zeit ständig vor Augen, wenn wir die Nachrichten hören und sehen. Nicht nur in der Ukraine, ein Krieg, der uns täglich ins Wohnzimmer flimmert. Auch an vielen anderen Orten in unserer Welt, in der einen Welt. Wir schauen auf unser Mahnmal, das seit unserer Ukraine-Mahnwache am 24. Februar die ganze Fastenzeit in der Crossover-Kirche aufgebaut war. Da stehen sie, die Namen der Länder, die uns an weiteres Leid, Krieg und Unterdrückung erinnern: Afghanistan, Myanmar, Jemen, Syrien, der Iran und Nicaragua. 

Gewalt! Gewalt fängt mit Lügen an. Da ist die Lüge von dem Überfall polnischer Partisanen auf den deutschen Sender Gleiwitz 1939, die die Welt in den Zweiten Weltkrieg stürzte.

Da ist die „Brutkasten-Lüge“, nach der Soldaten Saddam Husseins bei der Besetzung Kuwaits 1990 angeblich Babys aus Brutkästen auf den Boden des Krankenhauses geworfen hätten, wo sie starben. Dies gab einen guten Grund für die USA ab, damals militärisch einzugreifen. Da ist die Lüge von den chemischen Waffen Saddam Husseins, mit der die USA vor 20 Jahren den 2. Irak-Krieg begannen.

Die Lüge von der Entnazifizierung der Ukraine durch die Russische Föderation.

Wenn man bei Wikipedia eingibt „Massaker von Odessa“ bekommt man 2 Hinweise: Zum einen auf die Tötung von ca. 30.000 ukrainischen Juden durch rumänische Truppen unter dem Befehl der Hitler-Wehrmacht im Jahre 1941. Zum anderen auf einen von pro-ukrainischen Aktivisten gelegten Brand im Gewerkschaftshaus von Odessa im Mai 2014, bei dem 42 pro-russische Aktivisten verbrannten. Beides wird als Massaker bezeichnet und das vom Mai 2014 gilt bis heute als Rechtfertigung für den notwendigen Schutz russischsprachiger Ukrainer durch Putins Armee.

Gewalt fängt mit Lügen an! Da ist die Lüge von den amerikanischen und israelischen Agenten, die friedfertige Frauen im Iran zu Protesten und Demonstrationen gegen die Mullahs verführen und anstacheln. Die zweitausend Jahre alte Lüge von einem, der Gott gelästert und den Kaiser missachtet hat und der deshalb gekreuzigt werden musste. 

Und unsere Sprache: wie sonderbar kann sie verwendet und missbraucht werden. Da ist die Rede von militärischen Sonderaktionen. Das Wort „Krieg“ ist mit Strafe und Gefängnis behaftet. Sonderaktion! Wer denkt da nicht an Schnäppchen bei Karstadt und H&M.
Und in Israel heißt es Justiz-“Reform“, wenn dort die Gewaltenteilung, ja, die Demokratie abgeschafft werden soll. Wer hätte je gedacht, dass es gerade in Israel jemals lupenreine Faschisten wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich geben würde, und dies an der Regierung!

Gebt auf die Sprache acht, auf die Lügen und Denunziationen. 

Deutschland unterstützt die Ukraine in ihrer Abwehr und Verteidigung gegen einen brutalen russischen Angreifer – und das zu Recht. Neben der Aufnahme von mehr als 1 Million geflüchteten Ukrainerinnen und ihrer Kinder, vielfältiger finanzieller und auch militärischer Unterstützung erheben immer mehr Menschen in unserem Lande ihre Stimmen und rufen nach größeren Anstrengungen unserer Regierung für diplomatische Lösungen zur Beendigung dieses Gemetzels. 

Natürlich wäre ein Waffenstillstand am schnellsten zu erreichen, wenn die russischen Aggressionstruppen und ihre Wagner-Landsknechte sich vom Territorium der Ukraine zurückziehen würden. Aber da dies nicht sehr wahrscheinlich ist, braucht es mehr und andere Ideen und Initiativen, die Gewaltspirale zu stoppen. 

Immer mehr Menschen und auch wir fordern hier und heute unsere Politiker auf, zusammen mit dem UN-Generalsekretär, mit den Präsidenten von Brasilien, Indien und auch Chinas nach Lösungen jenseits der militärischen Logik zu suchen. 

Egal, welche Formulierungen im Einzelnen auch immer zu kritisieren sind, etwa 800 000 Menschen haben den Schwarzer-Wagenknecht-Aufruf unterschrieben, Tausende waren am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, bei Kundgebungen und Mahnwachen; viel Zuspruch gefunden hat ein Aufruf „Frieden schaffen!“ der von SPD-Politikern wie Peter Brandt und Michael Müller und anderen in Erinnerung an Willi Brandts Entspannungspolitik an Olaf Scholz gerichtet ist. Auch unser Aufruf fordert diplomatische Initiativen für ein Ende des Krieges, für einen gerechten Frieden und für eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa unter Einbeziehung der Russischen Föderation. 

Allen diesen verschiedenen Friedensaufrufen ist gemeinsam, dass derartige friedenspolitische Initiativen in den sozialen Medien, neben Unterstützungen, einem extremen ‚Shitstorm‘ ausgesetzt sind. Auch die Verfasser_innen haben sich Schmähkritik und persönliche Beleidigungen sowie Drohungen anhören müssen. Hier lässt sich eine Verrohung der öffentlichen Auseinandersetzung über die sozialen Medien, wie z.B. Facebook oder Twitter, feststellen. 

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland war bereits vorher durch seine drastischen Aussagen (über Bundeskanzler Scholz: „beleidigte Leberwurst“) und seine maßlosen und mit großer Dreistigkeit vorgetragenen Forderungen nach Waffenlieferungen für die Ukraine aufgefallen. Er hat sich sofort auch hier per Twitter in einem Ton eingeschaltet, der sicherlich der Ukraine nicht weiterhilft. Der zum stellvertretenden Außenminister der Ukraine beförderte Andrij Melnyk, schrieb auf Twitter, Brandt und Co. sollten sich mit ihren „senilen Ideen“, einen „schnellen Waffenstillstand zu erreichen“ und „den Frieden nur mit Russland zu schaffen“ zum Teufel scheren.

Ja, gebt auf die Sprache acht, auf die Lügen und Denunziationen. 

Aus dem Krieg ist ein blutiger Stellungskrieg geworden, bei dem es nur Verlierer gibt. Ein großer Teil unserer Bürger und Bürgerinnen will nicht, dass es zu einer Gewaltspirale ohne Ende kommt. Statt der Dominanz des Militärs brauchen wir die Sprache der Diplomatie und des Friedens. 

Verständigung und Frieden basieren auf Wahrheit! Auf Wahrheit und Gerechtigkeit! Kein Staat darf einem anderen seine Werte und Interessen mit Gewalt aufzwingen!An diesem Karsamstag, wo in der christlichen Symbolik der Ostertage Totenruhe herrscht, halten auch wir inne. Wir kommen zusammen, um zu klagen, anzuklagen und ein Zeichen zu setzen: Stoppt das Töten in Europa und weltweit! Lasst uns den Frieden gewinnen! 

Aber Ostern wäre nicht Ostern, wenn bei diesem Fest nicht das Leben gefeiert werden würde. Den Sieg des Lebens über den Tod! Auferstehung!

Ja, wir alle wollen aufstehen für den Frieden, für das Leben, für Verständigung und Völkerfreundschaft. So schwer glaubhaft es zur Zeit auch klingen mag: Völkerfreundschaft auch mit Russland! Mit einem Russland ohne Diktator, mit einem Russland, wo Menschenrechtler, Journalisten und Menschen, die Krieg Krieg nennen, nicht in Straflagern schmachten müssen. 

„Marschieren wir gegen den Osten? Nein!
Marschieren wir gegen den Westen? Nein!
Wir marschiern für eine Welt, die von Kriegen nichts mehr hält. Denn das ist für uns am Besten!“
(Fasia Jansen)

Letztes Update: 13.04.2023, 13:43 Uhr