Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Ungehaltene* Rede von Manfred F. Backhaus
(DFG-VK)

am 19. November 2022

bei der monatlichen Friedensmahnwache in Limburg,

zugleich Kundgebung am bundesweiten Aktionstag Stoppt das Töten in der Ukraine! Aufrüstung ist nicht die Lösung!

* Angesichts der Kälte verzichtete der Redner mit Rücksicht auf das frierenden Teilnehmenden auf diese Rede.

 

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Entsprechend haben wir vom Ostermarschkreis Limburg sofort den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt und Mahnwachen gegen den Krieg organisiert.

Und heute stehen wir wieder hier und fordern: Stoppt das Töten in der Ukraine!

Unsere ukrainischen Freunde sagen, mit einem Kriegsverbrecher wie Putin kann man nicht verhandeln, der versteht nur die Sprache der Gewalt. Wie bei Hitler, da hat man auch nicht verhandelt.

Ja, aber gegen Hitler stand die halbe Welt auf: Großbritannien, die mächtige SU, die USA jenseits des Atlantiks. Mit vielen Soldaten und vielen Waffen und vielen Millionen Toten. Allein die Ukraine hat einen Blutzoll von ca. 8 Millionen Menschen gezahlt. Das war ein Weltkrieg! Und einen 3. Weltkrieg müssen wir verhindern!

Und so sehr wir verstehen und es unterstützen, dass das ukrainische Volk seine Existenz bewahren und seine von Russland geraubten Gebiete wieder zurück haben möchte und daran glaubt, dass dies mit immer mehr Waffen auch möglich sein wird … mir erscheint dies wenig wahrscheinlich.

Alle Kriege nach dem 2. Weltkrieg sind durch Verhandlungen beigelegt worden: Korea-Krieg, Vietnam-Krieg, Algerien, Jugoslawien. So froh wir auch über die Befreiung Chersons sind: es wird keinen ukrainischen Siegfrieden geben!

Ja, Putin ist nicht zu trauen, weder darin, dass er Verhandlungen einfordert, noch dazu, dass er zur Zeit keinen Sinn darin sieht.

Aber es ist auch nicht hilfreich, wenn das ukrainische Parlament Verhandlungen mit Putin verbietet und unter Strafe stellt; oder dass Selenskyj einerseits die Europäer auffordert, diplomatischen Druck zu entfalten, anderseits aber Verhandlungen mit Russland nur mit Putins Nachfolger führen will.

Die Verhandlungspartner kann man sich nicht aussuchen, und oft genug sind sie eben Schurken. Und Putin wird nicht so schnell von der politischen Bühne verschwinden.
 
Bei aller Solidarität und Unterstützung der Ukraine: dazu gehört auch, Menschen - Soldaten und Zivilisten - vor den Kriegsgräuel und dem Sterben zu retten und zu schonen.

Denjenigen, die von einem ukrainischen Siegfrieden faseln, halten wir entgegen: Es wird keine militärische, sondern nur eine politische und diplomatische Lösung dieses Krieges geben.
 
Wir dürfen die Diplomatie nicht Erdoğan überlassen! Wir müssen laut fordern, dass die Politiker aus der militärischen Denk-Spirale aussteigen und sich daran machen, Verhandlungen, geheim oder öffentlich, möglich zu machen. Und Verhandlungen und Absprachen sind möglich. Das haben die Verlängerung des Getreideabkommens oder der wiederholte Austausch von Kriegsgefangenen bewiesen.
 
Der Raketeneinschlag in Polen hat wieder einmal gezeigt, wie dünn das Eis ist, auf dem wir unsere Kreise drehen. Ob es eine ukrainische Abwehrrakete oder eine russische Angriffsrakete war, spielt eine untergeordnete Rolle. Den beiden toten Polen wäre keine Rakete lieber gewesen.

Solche Irrläufer kann es immer geben. Sogenannte Kollateralschäden!
 
Aber außer den Irrläufern gibt es ja auch ständig russische Raketenangriffe auf Wohnhäuser und sogenannte kritische Infrastruktur. Kein Strom, kein Wasser, keine Wärme. Kaputte Krankenhäuser, Patienten ohne Medikamente.

Bei aller Bewunderung für den Durchhaltewillen und das Leidenspotential der ukrainischen Menschen: Sie sollten das nicht ertragen müssen!
 
Auch die ständigen Beinahe-Katastrophen um das Kernkraftwerk Saporischschja machen mir Angst. Da braucht es auch keine Beteuerung von Russland, China und den USA, dass ein Atomwaffeneinsatz ausgeschlossen ist. Ich erinnere nur an Tschernobyl!

Dieses Gelände muss von Kampfhandlungen freigehalten werden, am besten demilitarisiert und unter Verwaltung der internationalen Atomenergiebehörde.
 
Wir halten der wertegeleiteten Politik unserer Außenministerin emotional entgegen: Leben ist mit der wichtigste Wert! Es geht um Abertausende von Toten, die dem weiteren Verlauf dieses Krieges zum Opfer fallen werden. Deshalb muss er aufhören!

Wir fordern einen Waffenstillstand, um Leben zu retten, Friedensverhandlungen und diesbezügliche energische Initiativen der deutschen Regierung, natürlich in Absprache mit der Ukraine. Wir fordern außerdem den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine und von unserer Regierung einen Stopp der Aufrüstung.Wir wissen uns in diesen Forderungen einig mit 70% unserer Bevölkerung, laut einer Forsa-Umfrage. Es ist gut, dass wir diese Haltung auf die Straße und in die Öffentlichkeit bringen!

Gegenüber Russland ist beides nötig: das Stopp-Zeichen gegen die russische Gewalt, etwa durch Sanktionen. Und die ausgestreckte Hand mit Angeboten zu Friedensverhandlungen.

Manfred F. Backhaus (DFG-VK)

Letztes Update: 20.11.2022, 18:11 Uhr