Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Rede von

Langen gegen Atomkraft

bei der Kundgebung am 23. Februar 2023 in Langen

im Rahmen des bundesweiten Aktionswochenendes
Stoppt das Töten in der Ukraine - für Waffenstillstand und Verhandlungen!

Langen gegen Atomkraft unterstützt die Friedensaktion anlässlich des Jahrestages der russischen Aggression gegen die Ukraine. Dieser Krieg ist in niemandes Interesse und muss so schnell wie möglich beendet werden.

Ich möchte auf zwei Aspekte hinweisen, die meiner Meinung nach noch einmal die Dringlichkeit belegen diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden.

Der schwerwiegendste Aspekt ist die Möglichkeit, eine Atomkatastrophe aus Versehen auszulösen.

Es ist das erste Mal, dass bei einer militärischen Auseinandersetzung Atomanlagen mitten im Kriegsgebiet liegen. Und nicht nur das: die Kämpfe und die Truppen sind sowohl rund um die havarierten und im Rückbau befindlichen Reaktoren in Tschernobyl als auch auf und um das Gelände der größten europäischen Atomanlage in Saporischschja vorgedrungen.

Zwischenzeitlich hat die internationale Atomenergiebehörde IEAO hier Inspektionen durchgeführt, aber auch deren Berichte sind mehr als beängstigend. Ich will mir die Szenarien gar nicht ausmalen, die hier zu einem weiteren Unfall oder gar einem Einsatz nuklearer Waffen führen könnten.Der einzige Weg, dies grundsätzlich auszuschließen, führt über einen verbindlichen Atomwaffenverbotsvertrag, den vor allem die bisherigen Atommächte ablehnen.

Dies ist Aufgabe der Mitgliedsstaaten der UNO, bei aller Unterschiedlichkeit der sonstigen politischen Ansichten. Es macht absolut keinen Sinn, über die ultimative Waffe nachzudenken, die am Ende die gesamte Menschheit vernichtet.

Wir stehen als Menschheit vor der kolossalen Aufgabe, in den nächsten 5-10 Jahren einen radikalen Wandel in Bezug auf unseren CO2-Ausstoß, aber auch unser gesamtes Konsumverhalten vorzunehmen.

Alle Mittel, die wir jetzt in die militärische Aufrüstung stecken, werden uns dabei natürlich fehlen. Wobei der aktive Einsatz im Krieg die Probleme sogar weiter verschärft.

Ich will hier aber noch auf einen zweiten Aspekt eingehen: die Unterscheidung von militärischer und friedlicher Nutzung der Kernenergie.

Wenn wir genauer hinschauen, ist das alles andere als sauber zu trennen. Ich beziehe mich hier auf einen Artikel des Bonn International Center for Conversion, veröffentlicht von der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Artikel benennt die beiden als siamesische Zwillinge. Es ist klar, „mit der zivilen Anwendung der Nukleartechnik kann Wissen, Material und Technologie gewonnen werden, die auch für ein militärisches Atomprogramm einsetzbar sind.“ Hinter jedem Nuklearprogramm steht die Befürchtung, dass der jeweilige Staat auch an Nuklearwaffen interessiert ist. Aktuelles Beispiel ist das Gezerre um das Atomprogramm des Iran.

Technisch gesehen gibt es zwei Wege zur Atombombe zu kommen: eine Bombe die die Kernspaltung (Fission) nutzt. Dazu wird hoch angereichertes Uran benötigt. Oder eine Wasserstoffbombe die auf dem Prinzip der Kernverschmelzung (Fusion) basiert, diese benötigt Plutonium.

„Beide Materialien müssen erst gewonnen werden. Natur-Uran enthält nur einen geringen Anteil des spaltbaren Isotops U-255, in komplizierten Prozessen muss dieses auf eine höhere Konzentration angereichert werden. Plutonium ist dagegen ein Element, das erst entsteht, wenn Uran in einem Kernreaktor bestrahlt wird.“

„Für beide Wege zur Bombe kann das Wissen aus dem Bereich der zivilen Nutzung der Kernenergie nützlich sein, ebenso wie Forschungseinrichtungen oder Anlagen des nuklearen Brennstoffkreislaufs.

Wer beispielsweise Brennelemente für Kernkraftwerke, Forschungsreaktoren oder nukleare Schiffsantriebe herstellen will, muss dafür ebenso Uran anreichern wie auch derjenige, der eine Atomwaffe mit Uran-Kern bauen will.

Urananreicherungsanlagen werden vor allem von den fünf offiziellen Atommächten USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich betrieben, aber auch Pakistan, Iran, Deutschland, die Niederlande, Japan, Südafrika sind hier tätig. Auch Nordkorea steht im Verdacht, ein militärisches Anreicherungsprogramm zu haben.

Ebenso problematisch sind Forschungsreaktoren, die mit waffenfähigem, hoch angereichertem Uran betrieben werden und die Produktion von Plutonium.Das Problem der Weitergabe (Proliferation) von Atomwaffen oder dazu benötigter Technologie steht unmittelbar im Raum.Es gibt eine Vielzahl von Bemühungen, die Weiterverbreitung der militärischen Nutzung zu unterbinden, um sicherzustellen, dass die zivile Nutzung der Kerntechnik nicht zu einer Vorstufe oder Tarnung der militärischen Nutzung wird.

Das Problem jedoch ist, dass beide so nah miteinander verbunden sind und man widersprüchlicher Weise seit vielen Jahrzehnten versucht, die zivile Nutzung weltweit zu fördern, aber die militärische zu unterbinden.

Wichtigstes Instrument dabei ist der Nichtverbreitungsvertrag (bei uns als Atomwaffensperrvertrag bekannt). Im Rahmen dieses Abkommens soll die IEAO durch Kontrollen sicherstellen, dass in den nicht nuklearen Mitgliedsstaaten ausschließlich die zivile Nutzung stattfindet. Dies alles funktioniert eher schlecht als recht und führt keinesfalls zu einer atomwaffenfreien Welt.So kommt der zitierte Artikel auch zu folgendem Schluss:

„Letztlich könnte wohl nur ein weltweiter Verzicht auf sowohl die militärische als auch die zivile Nutzung der Kerntechnik – eine doppelte Null-Lösung – weitestgehend Sicherheit vor einer Weiterverbreitung nuklearer Waffen garantieren. Es würde auch die Vision einer verifizierbar und irreversibel atomwaffenfreien Welt realistischer machen.“

Deswegen führt ein sicherer Weg zu einer atomwaffenfreien Welt nur über den Verzicht auf beide Seiten der Atomtechnologie. Also wie anfangs schon gesagt, muss jetzt unbedingt der Atomwaffenverbotsvertrag umgesetzt werden, aber auch die zivile Nutzung der Atomenergie muss beendet werden.

Unsere Forderung lautet deshalb auch hier und heute:

Alle Atomanlagen weltweit abschalten!

 

1:10:50 h

 

Letztes Update: 27.02.2023, 20:45 Uhr