Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer
der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Hessen:
 

Rede beim Protestmarsch zum Dagger Complex

Griesheim/Darmstadt 29.3.2014

Beim Thema Drohnen bündeln sich die Aspekte Überwachung und Krieg. Drohnen können als Kampfdrohnen der direkten Tötung im Krieg dienen, ebenso können sie der Überwachung und Ausspähung dienen, nicht nur Ausspähung von militärischen Aktivitäten anderer, sondern Überwachung von allem, was beobachtet werden kann. Drohnen können eingesetzt werden bei der Überwachung und Bekämpfung von Demonstrationen bis hin zur Abwehr von Flüchtlingen.

 

Militärisch sind Drohnen kein beliebiges Mordwerkzeug unter vielen anderen, nicht nur einfach ein Tötungsinstrument mehr. Sie sind wichtig für die asymmetrischen Kriege. In westlichen post-heroischen Gesellschaften, in denen es keineswegs mehr als ehrenvoll oder normal gilt, massenhaft im Krieg zu sterben, wofür auch die Bevölkerungsbasis fehlt, helfen Drohnen, die Kriegseinsätze zu rechtfertigen. Erstens wird argumentiert, dass Angriffe ausgeführt werden können, ohne das eigene Militärpersonal zu gefährden. Zweitens würden zielgenau nur einige wenige Personen getroffen, es würde nicht wahllos massenhaft getötet. Der damalige Kriegsminister de Maizière verharmloste Drohnen als ethische Waffen.

In der Tat können von einem Monitor in einem Stützpunkt Tausende von Kilometern vom Schlachtfeld entfernt, sei es in Kalifornien oder Ramstein oder Stuttgart, wie in einem Computerspiel auch schlimmste Massaker durchgeführt werden. "Bug Splat" nennt sich ein Videospiel mit dem Ziel, möglichst viele krabbelnde Käfer abzuschießen. "Bug Splat", zu Deutsch "Käfer klatschen", nennt man bei Soldaten, die Drohnen lenken, auch die erfolgreiche Tötung von mutmaßlichen Gegnern durch drohnengestützte Hellfire-Raketen.

Friedensnobelpreisträger Obama hat den Drohnenkrieg intensiviert. Eine Liste von Menschen, die zu töten sind, wurde erstellt. Rechtlich gesehen, sind dies extralegale Hinrichtungen ohne Prozess. Etwa 3000 Menschen sind bis 2013 durch solche Drohnenangriffe gestorben. Nicht nur die Zielpersonen, denn die gar nicht so zielgenauen Drohnen töten auch alle, die sich in der Nähe aufhalten. Sie werden zu sogenannten Kollateralschäden. Die überwiegend zivilen Opfer verstärken das Ohnmachtsgefühl der Betroffenen und heizen die Gewaltspirale an. Auf jeden von Drohnen Getöteten, der als Terrorist oder Talib eingestuft worden war, kommen mehrere Menschen, die Hass auf diejenigen entwickeln, die auf diese Art töten.

Ebenso wie beim „Krieg gegen Terror“ insgesamt verwischen die Drohnen die Grenze zwischen Krieg und Frieden und unterminieren damit das internationale Recht. Oft wird die Souveränität anderer Staaten verletzt. Drohnen werden häufig in Nicht-Kriegsgebieten zur gezielten Tötung eingesetzt, in Pakistan und im Jemen z.B.

Drohnen setzen die Hemmschwelle für einzelne Einsätze herab. Sie reduzieren die individuelle Tötungshemmung. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene erleichtern sie es, Kriege politisch durchzusetzen.
Allein deshalb müssen Drohnen geächtet werden!
 

Ein wesentlicher Bestandteil für die Weltmachtstellung der USA ist ihr globales Netzwerk von Militär- und Spionagestützpunkten. Vor einem dieser Stützpunkte stehen wir hier. Mit Hilfe dieser Basen können die USA in allen Erdteilen einerseits militärisch intervenieren, andererseits die Welt überwachen.
Das Netz von US-Stützpunkten ist in der Weltgeschichte einzigartig, weil es alle bewohnten Erdteile und alle Ozeane umfasst. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eroberten und annektierten die USA Gebiete, die ihnen erlaubten, mit ihren Flotten Karibik und Pazifik zu beherrschen. Aus dieser Zeit stammen z.B. die Basis Guantanamo Bay und Stützpunkte auf Puerto Rico, Hawaii und Guam. Während des 2. Weltkriegs begannen die USA ihr Stützpunktnetz weit über das eigene Territorium auszudehnen. Heute hat das US-Militär die gesamte Welt in mehrere Kommandobereiche eingeteilt, wie das Pazifische Kommando, das Central Command (CENTCOM) oder das Afrika-Kommando mit Sitz in Stuttgart. Die Stützpunkte befinden sich inzwischen auch in Ländern und Regionen, die nicht zum traditionellen Einflussbereich der USA gehören, z.B. in Ländern wie Kirgisistan in Zentralasien und Kenya in Afrika. Seitdem die USA sich weniger als früher auf langfristig angelegte Militärbündnisse stützen, sondern sich für bestimmte Zwecke „Coalitions of the Willing“ zusammensuchen, ist das weltweite Netzwerk noch wichtiger geworden. Je nachdem wie gezählt wird, wird die Anzahl der US-Basen im Ausland mit etwa 700 bis 800 angegebene, zählt man Stützpunkte hinzu, auf den kein US-Militär stationiert ist, die aber im Bedarfsfall von den USA genutzt werden können, erhöht sich die Zahl auf ungefähr 1000.

Das Netzwerk der US-Militärstützpunkt ist global. Aber auch der Kampf dagegen muss notwendigerweise global sein. Erstens sind die Basen miteinander vernetzt, zweitens bringt es relativ wenig, wenn an einem Ort eine Basis geschlossen wird und andernorts oder in einem Nachbarland eine neue entsteht, so dass sich global gesehen wenig ändert.

Für diese Demonstration hier haben wir eine Solidaritätsbotschaft aus Mauritius erhalten. Dort gibt es eine Kampagne gegen die US-Militärbasis Diego Garcia im Indischen Ozean. Es geht dabei nicht nur um die Militärbasis und Imperialismus. Es geht auch um Kolonialismus und um die Menschen, die vertrieben worden sind, um diese Militärbasis zu errichten.

Auf Diego Garcia, der Hauptinsel der Chagos-Inseln inmitten des Indischen Ozeans, unterhalten die USA einen ihrer wichtigsten Marine- und Luftwaffenstützpunkte weltweit. Von hier aus lassen sich die Seewege im Indischen Ozean kontrollieren, darunter auch die Ölrouten vom Persischen Golf nach Ostasien und nach Europa. Eine Schlüsselrolle spielte und spielt die Basis in den Kriegen gegen den Irak und im Afghanistankrieg. Die Basis ist wichtig im weltweiten Satellitenspionage- und Telekommunikationsnetz der USA. Während Langstreckenbomber von Diego Garcia aus ihre tödliche Fracht leicht in die Länder Südwestasiens tragen können, ist die Basis umgekehrt kaum angreifbar. Denn die Chagos-Inseln liegen geographisch isoliert und sind militärisches Sperrgebiet ohne potenziell störende Zivilbevölkerung.

Um eine solch unproblematische Basis zu bekommen, waren zwei Maßnahmen nötig. Bis 1965 gehörten die Inseln zur britischen Kolonie Mauritius. Kurz vor dessen Unabhängigkeit wurden sie abgetrennt. Sie wurden zur neuen Kolonie British Indian Ocean Territory. Dann wurde die gesamte Bevölkerung, etwa 2000 Menschen, deportiert. Die Insel Diego Garcia wurde für 50 Jahre, also bis 2016, an die USA verpachtet.

Die Verlängerung des Pachtvertrags ist nicht unproblematisch: Erstens hat sich Mauritius mit der Abtrennung der Inseln nicht abgefunden und klagt beim Ständigen Schiedshof in Den Haag. Zweitens haben britische Gerichte mehrfach den Chagossians ein Recht auf Rückkehr eingeräumt, doch die Urteile wurden aufgehoben. 2010 hat Großbritannien die Chagos-Inseln zum Meeresschutzgebiet erklärt. Wikileaks hat entlarvt, dass der Umweltschutz nur vorgeschoben wurde, um eine Rückkehr der Bevölkerung von Chagossians zu verhindern. Jetzt versucht Großbritannien wieder etwas Neues: 1965 wollte man die Inselbevölkerung loswerden und hat sie deportiert. Jetzt versucht Großbritannien sie mit britischen Pässen und dem Recht auf Rückkehr zu ködern, damit sie in einem etwaigen Referendum für den Verbleib der Inseln bei Großbritannien votiert. Dann könnte das Vereinigte Königreich die Inseln mit Berufung aufs Selbstbestimmungsrecht behalten und Diego Garcia den USA verpachten. In den nächsten Monaten wird eine Entscheidung fallen. Umso wichtiger ist jetzt die Kampagne Free Diego! (Befreit Diego).
 
Ich verlese nun die Solidaritätsadresse der Organisation LALIT aus Mauritius. LALIT bedeutet im Kreolisch, das in Mauritius gesprochen wird, Kampf, abgeleitet von frz. La Lutte.

Solidaritätsadresse von LALIT

im englischen Original

Hier in LALIT sind wir sehr aktiv zum Thema Diego Garcia und Chagos. Wir arbeiten intensiv in einem Koordinationskomitee mit einem Gewerkschaftsbund, zwei Nachbarschaftsvereinigungen aus Gegenden, in denen viele Chagossians leben, und einer Frauenbefreiungsorganisation. Wir treffen uns regelmäßig, um die Situation der Chagos-Inseln zu analysieren und um Aktionen gegen die Präsenz der USA in Mauritius zu planen, die wir als Besatzungsmacht einschätzen. Wir haben Proteste gegen die Besuche von US-Kriegsschiffen organisiert. Außerdem wenden wir uns dagegen, dass die US-Botschaft Einfluss auf Nichtregierungsorganisationen ausübt, indem sie Vereinsaktivitäten und Trainingskurse für Führungskräfte finanziert. Wir üben Druck auf die Regierung aus, damit sie jedes regionale und internationale Forum nutzt, um die illegale Besetzung und Kolonisierung von mauritischem Territorium durch die USA und Großbritannien anzuprangern.
Ihr wisst möglicherweise, dass die zwischen Großbritannien und den USA vereinbarte illegale Verpachtung von Diego Garcia für 50 Jahre 2016 ausläuft. Verhandlungen für eine Verlängerung müssen gemäß Pachtvertrag in diesem Jahr beginnen. Es ist allgemein bekannt, dass die USA und Großbritannien schon in weitere unredliche Machenschaften verwickelt sind. Sie bieten in betrügerischer Weise Chagossians, die in Großbritannien leben und die Souveränität von Mauritius über die Chagos-Inseln nicht anerkennen, als Bestechung an, sich wieder auf den Inseln niederzulassen und auf der Militärbasis Diego Garcia zu arbeiten.  Das geschieht hinter dem Rücken der Behörden und des ganzen Volkes von Mauritius, einschließlich der Chagossians.

Wir von LALIT glauben, dass für Gruppen, die gegen Militärbasen arbeiten, für die Friedensbewegung, für Kriegsgegner und Kriegsgegnerinnen und für andere fortschrittliche Kräfte die Zeit günstig ist, um die US-amerikanisch-britische militärische Okkupation von Diego Garcia bei allen regionalen und internationalen Zusammenkünften zu entlarven.

Wir halten es für notwendig, den Kampf gegen die militärische Besetzung von Diego Garcia zu internationalisieren,
- um die illegale Zerstückelung des Territoriums von Mauritius sowie die andauernde illegale britische Okkupation seiner Phantomkolonie British Indian Ocean Territory zu beenden,
- um die empörende Militärbasis auf Diego Garcia zu schließen, wo Material für Atomwaffen lagert und Nuklear-U-Boote versorgt werden,
- und um das brutal eingefädelte Exil der gesamten Bevölkerung der Chagos-Inseln zu beenden, so dass sie nach Chagos zurückkehren können.

Wir erklären unsere volle Unterstützung für den Protestmarsch gegen die US-Spionagebasis Dagger Complex an diesem Samstag.

Gegenwärtig sind wir auch aktiv in einer Kampagne gegen die von der Regierung betriebene Einführung neuer biometrischer Personalausweise und einer zentralisierten Datenbank. Das ist auch ein Teil des globalen Überwachungsprogramms, mit dem US-Spionageeinrichtungen alle Bürger und Bürgerinnen in allen Ländern kontrollieren.

Der Kampf gegen Militärbasen, Kolonialismus und Imperialismus geht weiter!

Alain Ah-Vee, für LALIT         

 

Wir fordern

  • Freiheit für Diego Garcia! Free Diego Garcia! Auflösung der Militärbasis Diego Garcia und aller Militärstützpunkte in aller Welt!
  • Ächtung von Kampf- und Überwachungsdrohnen!
  • Eine Welt ohne Überwachung, Krieg und Militär!


Bei einer Rede zu Militärstützpunkten muss in diesen Tagen, auch die Kriegsgefahr für Europa angesprochen werden. Sie ist mit dem Konflikt um die Ukraine gewachsen. Das ist schlagartig mit der gewaltsamen und völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland deutlich geworden. Die EU und die USA setzen ihre provokative Expansionspolitik fort und unterstützen in der Ukraine eine ultranationalistische Regierung mit faschistischen Ministern. Es besteht die Gefahr, dass Provokationen und Gegenprovokationen, Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen zu weiteren Kämpfen in der Ukraine und zu einem größeren Krieg über die Ukraine hinaus führen.

Im Gedenkjahr 2014 erinnert dies an den Beginn des 1.Weltkriegs 1914.

Widerstand gegen Krieg ist weiterhin dringend geboten, ebenso Widerstand gegen jeden Nationalismus, jeden Imperialismus und jeden Militarismus.
Vadim Damier, Historiker, Gewerkschafter und Antimilitarist in Moskau kommentierte die jetzigen Situation sehr treffend:
„Wir dürfen den Herrschenden kein neues 1914 erlauben!“

Letztes Update: 30.03.2014, 20:38 Uhr