Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Stoppt den Waffenhandel!

Rede von Thomas Schwoerer, Bundessprecher der DFG-VK,
beim Ostermarsch in Frankfurt a.M., Ostermontag, 9. April 2012

Liebe Freunde,

ich spreche zu euch als Bundessprecher und Aktiver der Gruppe Frankfurt der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, der ältesten und einer der wenigen bundesweiten Friedensorganisationen, gegründet 1892. Unser Verband stellt einen der drei SprecherInnen der Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! Sie steht unter der Schirmherrschaft von Margot Käßmann, diese Kampagne stelle ich hier vor.

Die deutschen Rüstungsexporte haben sich zwischen 2005 und 2009 mehr als verdoppelt. Deutschland ist Europameister beim Geschäft mit dem Tod und liegt seit Jahren hinter den USA und Russland weltweit an dritter Stelle. Alleine durch die Schusswaffen von Heckler & Koch, dem größten Hersteller in Europa und dem weltweit führenden Exporteur dieser Waffengattung, haben über eine Million Menschen nach dem 2. Weltkrieg ihr Leben verloren.  Das ist Beihilfe zum Massenmord!

Arbeitsplätze werden durch Rüstungsexporte kaum gesichert. Nur 0,2 Prozent der Beschäftigten arbeiten in der Rüstungsindustrie, und Investitionen schaffen im zivilen Bereich deutlich mehr Arbeitsplätze als dort, wo die Produktivität besonders hoch ist.

Der überwiegende Teil der Rüstungsexporte wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn hier in der Nähe beschieden. Über als problematisch geltende Rüstungsexporte befindet der Bundessicherheitsrat unter Führung der Kanzlerin, und zwar geheim, ohne Mitwirkung von Parlament und Öffentlichkeit. Offiziell spielt bei diesen Entscheidungen die Beachtung der Menschenrechte im jeweiligen Empfängerland eine große Rolle. Aber in der Praxis hat dieser Grundsatz immer weniger Gewicht. Das wurde deutlich durch die skandalöse Entscheidung, über 200 Leopard-Panzer an Saudi Arabien zu liefern – eine der schlimmsten Diktaturen der Welt. Zu den gängigen Menschenrechtsverletzungen zählen dort Auspeitschungen, systematische Folterungen, Misshandlungen in Gefängnissen sowie gerichtlich verordnete und vollzogene Zwangsamputationen von Gliedmaßen.

Dieser Beschluss erfolgte wenige Wochen nachdem Saudi-Arabien den Aufstand im benachbarten Bahrain mit Waffengewalt unterdrückt hatte. Dabei verfügt der LEOPARD 2 A7+ über eine „Schnittstelle zum Anbringen von Anbaugeräten“. Was so harmlos klingt, bedeutet nichts anderes als die mögliche Montage eines Räumschildes, mit dem beispielsweise Barrikaden beseitigt werden können. Mit diesen Panzern könnte das Regime Blockaden von Widerständlern wegräumen, Demonstrationen der Demokratiebewegung platt walzen oder missliebige Menschen erschießen.

Bereits vor dem Leopard-Deal wurde alles außer Panzern an Saudi-Arabien geliefert, einschließlich Scharfschützengewehre, die sich für Kopfschüsse eignen. Der EADS-Konzern, mit Daimler als größtem Teilhaber, hat Kampfflugzeuge des Typs Eurofighter an Saudi-Arabien ausgeführt, die zum Krieg gegen die Regionalmacht Iran genutzt werden können. Am schlimmsten sind aber die Lizenzvergaben, mit deren Hilfe das Land Afrika mit Waffen vollpumpt: Schon zweimal hat Saudi-Arabien Lizenzen für Sturmgewehre von Heckler & Koch erhalten.

Saudi-Arabien ist beileibe nicht das einzige Empfängerland von deutschen Waffen, das Menschenrechte mit Füßen tritt. Das autoritäre Regime in Algerien bekommt deutsche Fregatten, Grenzsicherungstechnik im Wert von 10 Mrd. Euro und eine Fabrik von Rheinmetall und MAN zur Produktion von Fuchs-Transportpanzern. Diese können eingesetzt werden zur Bekämpfung von Aufständen. Unternehmen in unserer Nähe wie Utimaco in Oberursel und ATIS systems in Bad Homburg liefern Systeme zur Internetkontrolle, mit denen Datenübertragungen etwa via Skype gezielt blockiert und Websessions überwacht werden können. Und wenn wir schon bei den Tätern vor unserer Haustür sind: Jeden Herbst findet in Frankfurt die Airtec-Messe statt, auf der unbemannte Drohnen feilgeboten werden.

Deutsche Firmen haben Waffen an beide Seiten des Libyen-Krieges geliefert. Und wiederholt wurden Waffenlieferungen nach Mexiko genehmigt, trotz schwerster Menschenrechtsverletzungen seitens der dortigen Polizei und des Militärs. In diesem Fall ist auch Korruption im Spiel: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg wirft den Verantwortlichen von Heckler & Koch vor, jahrelang Amtsträger in Mexiko bestochen zu haben, um Lieferaufträge für Waffen zu erlangen. Der damals zuständige General Aguilar soll für jedes Heckler & Koch Sturmgewehr einen Bestechungsbonus von 25 US-Dollar kassiert haben. Heckler & Koch wird darüber hinaus verdächtigt, auch in Deutschland Amtsträger bestochen zu haben. Als das bekannt wurde, ist Peter Beyerle nicht ohne Grund aus der dreiköpfigen Geschäftsführung von Heckler & Koch ausgeschieden.

Es geht nicht nur um Menschenrechtsverletzungen, sondern auch um die schiere wirtschaftliche Unvernunft. Der größte Markt für deutsche Rüstungskonzerne ist ausgerechnet Griechenland – wie passt das zu den dortigen Bemühungen um Schuldenabbau?!

Es geht auch um die Lieferung atomwaffenfähiger U-Boote an Griechenland, da hat Günter Grass völlig recht mit seiner Kritik. Ich spreche wohl auch für euch, wenn ich sage, dass ich reichlich angenervt bin von den billigen Angriffen auf ihn.

In der Bevölkerung gibt es eine klare Mehrheit gegen Waffenhandel. 73 Prozent der Befragten sprachen sich gegen den Export der 200 Leopard-Panzer nach Saudi Arabien aus. Mit der Aktion Aufschrei wollen wir dieser Mehrheit eine Stimme geben. An dieser Kampagne nehmen über 100 Organisationen der Friedensbewegung, der Entwicklungshilfe, der kirchlichen Friedensarbeit und der Gewerkschaften teil – und es werden täglich mehr. Bis zur Bundestagswahl 2013 wollen wir 262.000 Unterschriften sammeln für eine Ergänzung des Artikels 26 (2) des Grundgesetzes. Ich lade euch herzlich ein, hier vorne bei mir zu unterschreiben bzw. Unterschriftenlisten mitzunehmen. Wir fordern die Aufnahme eines grundsätzlichen Exportverbots von Waffen und Rüstungsgütern in diesen Grundgesetzartikel. Damit würden wir die derzeitigen Verhältnisse umdrehen: Nicht mehr 98% aller Rüstungsexporte würden wie derzeit genehmigt, sondern nur 0,1% (z.B. Minenräumgeräte). In einem Zwischenschritt streben wir die Aufnahme dieser Forderung in die Wahlprogramme der Parteien zur nächsten Bundestagswahl an. Dies wären Schritte auf dem Weg zu einem vollständigen Verbot von Rüstungsexporten.

Die Aktionsschwerpunkte der Kampagne sind dieses und nächstes Jahr Rundreisen, die Opfern z.B. aus Angola oder kurdischen Gebieten eine Stimme geben. Andere Aktionen geben den Tätern Name und Gesicht: Tätern in der Rüstungsindustrie, der Politik und den Lobbyverbänden. Absoluter Schwerpunkt wird die Verhinderung brisanter Rüstungsexporte: die Exporte von Schusswaffen von Heckler & Koch und von Leopard-2-Panzern nach Saudi Arabien. Noch sind diese Panzer nicht ausgeliefert, noch kann dieser Rüstungsexport mit einem breit getragenen Protest gestoppt werden. Lasst uns dazu beitragen. Unterbinden wir endlich das Massenmorden mit deutschen Waffen.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.

Alle Fotos auf dieser Seite: Thomas Schupp

 

Letztes Update: 10.04.2012, 18:58 Uhr