Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Rede zum Ostermarsch in Limburg am 16.04.2022

von Manfred Backhaus  (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen)


Willkommen, Ihr 5. Kolonne von Wladimir Putin!

So bezeichnet Alexander Graf Lambsdorff, außenpolitischer Sprecher der FDP, in einem Beitrag in der ZEIT uns Ostermarschierer.

Durch unsere Forderungen nach Abrüstung, (Zitat) „spucken sie (die Ostermarschierer) den Verteidigern Kiews und Charkiws ins Gesicht. Sie traumatisieren die zu uns Geflüchteten ein zweites Mal, … Die Ostermarschierer sind die fünfte Kolonne Wladimir Putins, politisch und militärisch.“ (Zitat Ende)

Werter Graf Lambsdorff, seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat diese 5. Kolonne jeden Samstag hier Mahnwache in Solidarität und zur Unterstützung der Ukraine gehalten. Sie sollten nicht so oft mit dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk frühstücken, der sich aufführt, als würde er die Richtlinien der deutschen Politik bestimmen.
    
Sind wir durch Putins, bzw. durch Russlands Krieg gegen die Ukraine wirklich an einer Zeitenwende angekommen? Müssen wir nun umdenken, naiv wie wir waren, und uns rüsten für künftige Kriege, den weiteren Vormarsch russischer Truppen nach Westen?

Müssen wir Friedensbewegten, müssen sich Angela Merkel und Bundespräsident Steinmeier wirklich entschuldigen für eine Politik der Entspannung, die seit den Zeiten Willy Brandts mit den osteuropäischen Staaten, insbesondere der Sowjetunion und später Russlands versucht worden ist?

Ich sage entschieden NEIN, denn die Entspannungspolitik der 80er Jahre hat es uns durch die KSZE ermöglicht, Rüstungskontrollvereinbarungen, Abrüstungsverhandlungen, vertrauensbildende Maßnahmen abzuschließen, die uns und den Menschen in Osteuropa viele Möglichkeiten eröffnet und Sicherheit beschert haben.

Das ist nun alles zunichte gemacht worden – nicht erst seit dem 24. Februar.

Aber wie soll es nach dem Krieg weitergehen – wie lange er auch noch dauern und mit welchem Ergebnis er auch enden wird?

Sollen wieder Mauern hochgezogen und Zäune errichtet werden? Ist Konfrontation das Maß der Dinge?
Eine europäische Sicherheitsordnung wird es notwendigerweise nicht ohne Russland, ob mit oder ohne Putin, geben können. Nicht die Aufrüstung der östlichen NATO-Staaten, Ostflanke heißt das neuerdings, evtl. mit Atomwaffen, wie Polen dazu Bereitschaft signalisiert, sondern Rüstungskontrollvereinbarungen sind gefordert.
Finnland, Polen, die baltischen Staaten haben ihre jeweils eigenen Gewalterfahrungen mit Russland erlitten, ob unter dem Zar, Stalin oder der späteren UdSSR. Da ist das Misstrauen groß. Aber es müssen eben alle an einen Tisch, um ein europäisches Sicherheitskonzept zu erarbeiten.

Da nützt auch kein 100 Milliarden Euro großes Sondervermögen, oder soll ich lieber von Sonderschulden sprechen. Mir nichts, dir nichts zaubert Olaf Scholz dieses Geld aus seinem Zylinder, bzw. aus unseren Geldbörsen. Und die Ampelfraktionen und das Parlament staunen und schweigen. Dabei ist es doch DAS hohe Recht des Parlaments, jedes Jahr den Haushalt zu beschließen. Das letzte Mal, dass das Parlament sich so ausschalten ließ, war bei der Bewilligung der Kriegskredite 1914!
100 Milliarden! Keine Debatte, nichts!

Dabei verschlingt die Bundeswehr jetzt schon ca. 52 Milliarden Euro pro Jahr, ein Plus von 58% in den vergangenen 10 Jahren. Wenn jedes Jahr, wie geplant, mehr als 2% des BIP  in die Bundeswehr fließen, dann sind wir bald die drittgrößte Militärmacht hinter den USA und China, aber vor Russland. Wollen wir das?

Mit dieser Zeitenwende werden die Fehler des Westens der vergangenen 30 Jahre, die es sehr wohl gab, einfach entsorgt, und es gibt eine Weichenstellung hin zu Aufrüstung und Konfrontation für die nächsten Jahrzehnte.
Aber eine Friedensordnung in Europa geht nur mit, nicht gegen Russland.

Es gibt keinen anderen Weg. Auch wenn ich das heute schmerzhaft eingestehen muss, dass ich nicht weiß, ob dieser weg begehbar ist. Das ist ein schreckliches Dilemma. Die derzeitigen Führer Russlands sind Kriegsverbrecher, sie laden nicht dazu ein, ihnen zu vertrauen. Es wird dennoch ein „danach“ geben, ein „nach dem Krieg“, ein „nach Putin“. Und es wird notwendig, lebens- und friedensnotwendig bleiben, an einem gemeinsamen Haus Europa zu bauen.

Da zur Zeit die militärischen Aspekte alle Debatten bestimmen,  müssen wir auf den Ostermärschen nicht nur ganz entschieden Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine verdammen, die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung anklagen und alle Beteiligten zu schnelleren und ernsthaften Verhandlungen zu einem Waffenstillstand auffordern. Wir müssen bei den Ostermärschen und über den Krieg hinaus auch auf eine Debatte über die geplante Aufrüstung und die nationale Sicherheitsstrategie drängen.

Rüstung tötet schon im Frieden!   Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit!
Schon vor 2700 Jahren hat der Prophet Micha die Sehnsucht der Völker formuliert, Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern zu schmieden. An dieser Sehnsucht, an dieser Hoffnung, liebe Freunde, daran lasst uns festhalten.


Letztes Update: 15.04.2022, 15:21 Uhr