Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Landesverband Hessen

Grußwort an die Ostermärsche von Dr. Jurij Scheljashenko aus der Ukraine

Schutz und Asyl für Menschen aus Russland, Belarus und der Ukraine, die den Kriegsdienst verweigern –
Aktionswochen zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung

 
Beides bei der Ostermarsch-Auftaktkundgebung in Frankfurt-Niederrad, 10. April 2023

vorgetragen von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer DFG-VK Hessen


Es war geplant, dass ich hier unter anderem zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine spreche. Diesen Teil meiner Rede streiche ich, um das Grußwort von Dr. Jurij Scheljashenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung, Український Рух Пацифістів, an die Ostermärsche zu verlesen. Wer trotzdem etwas zum russischen Angriffskrieg lesen will, findet einen früheren Redetext von mir in der neuesten Ausgabe des Friedlichts, des Infoblatts der DFG-VK Mainz-Wiesbaden, das hier verteilt wird und ausliegt.
(siehe auch Rede am 25. Februar 2023 in Mainz)

Jurij Scheljashenko schrieb: 

Liebe Freunde und Freundinnen,

mein Name ist Jurij Scheljashenko und ich wünsche euch im Namen der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung ein frohes Osterfest aus Kyiw. Ich danke euch für eure Ostermärsche, eure Gebete und eure Handlungen, die sich für den Frieden durch friedliche Mittel einsetzen, um den Krieg in der Ukraine und alle Kriege in der Welt zu stoppen. Wir brauchen einen Waffenstillstand und ernsthafte Verhandlungen, um das Blutvergießen und die Zerstörung zu stoppen, die mein Land seit mehr als einem Jahr verwüsten. Wir fordern ein Ende des Krieges, das Verbot von Waffenlieferungen und die Verhinderung eines dritten Weltkrieges und einer nuklearen Eskalation. Alle gegen ihren Willen mobilisierten Soldaten müssen ins zivile Leben zurückkehren und die allgemeine Abschaffung von Armeen muss vorangetrieben werden. Die Kriegsdienstpflicht muss durch internationales Recht verboten werden, da niemand das Recht hat, ganze Bevölkerungen in Killer zu verwandeln. Die NATO muss aufgelöst werden und die US-Militärbasen in Deutschland und auf der ganzen Welt müssen geschlossen werden. Kernwaffen müssen verboten werden und nicht näher an vermeintliche Feinde positioniert werden, um Städte und Zivilisten zu treffen, was gegen das internationale humanitäre Recht verstößt. Ich weiß, dass viele meiner Landsleute nicht mit diesem lauten Aufruf zum Frieden übereinstimmen, der schiere Vernunft widerspiegelt. … Seien wir klar: Jeder Krieg und jede Vorbereitung auf Krieg hat keine Entschuldigung. Nur die Vorbereitung auf die Abschaffung des Krieges und eine gewaltlose Lebensweise entsprechen der Würde der Menschheit. Kein militärischer Sieg kann Frieden bringen, wenn überhaupt ein Sieg in einem Stellvertreterkrieg zwischen Großmächten möglich ist, was ich bezweifle. Wir müssen die gemeinsame Hoffnung auf zukünftigen Frieden bewahren und stärken. Diese Hoffnung kann nicht durch Waffen gebracht werden, sondern nur durch wachsendes Wissen und Fähigkeiten, wie man Gewalt ohne Gewalt widersteht, wie man regiert, ohne dass die Menschen leiden müssen, wie man schlechtes Verhalten durch das Erwecken von Verantwortungsgefühl und nicht durch Schmerz ändert und wie man Konflikte friedlich löst.

Die Präsidenten Putin und Selenskyj sowie viele andere hochrangige Politiker aus der Vergangenheit versuchen uns in einer bedauerlicherweise polarisierten, kalte-kriegs-ähnlichen Welt davon zu überzeugen, dass der Krieg fortgesetzt werden muss, um die vollständige Zerstörung ihrer Gegner zu erreichen. Das begründen sie mit solchen Dingen wie Souveränität und territorialer Integrität. Was meinen sie damit? Souveränität ist absolute Macht, die prinzipiell aufgrund vieler moralischer und physischer Gründe nicht existieren kann. Und territoriale Integrität bedeutet die absolutierte Grenzziehung eines Landes bis zu dem tragischen Grad des Blutvergießens, als ob irgendein Teil unseres gemeinsamen Planeten wegen einiger alter obsessiver historischer Ängste und Hassgefühle, die die Menschheit spalten, vollständig von anderen Teilen des Planeten isoliert werden könnte. Diese feudalen Ideen von Souveränität und territorialer Integrität wurden schon oft in Misskredit gebracht, insbesondere in den beiden Weltkriegen. In der heutigen Welt brauchen wir keine Souveränität, sondern gewaltfreie öffentliche Dienstleistungen und keine territoriale, sondern planetare oder sogar universale Integrität, oder, um es besser auszudrücken, soziale und ökologische Harmonie. Menschenrechte und Rechte der Natur sind viel wichtiger als feudale Fiktionen von Souveränität und territorialer Integrität. Jetzt geht es vor allem um unsere Menschlichkeit, unsere Fähigkeit, miteinander zu reden und das Leben zu respektieren, anstatt zu töten und uns selbst zu zerstören.

Wahrheit und Liebe, der Geist von Ostern, sollten uns helfen, das zu verstehen. Der große ukrainische Philosoph Hryhorij Skoworoda, Autor des Alphabets des Friedens, lehrte, dass die Menschen in Frieden leben und die Gebote der Liebe respektieren müssen. Ich wünsche mir, dass meine ukrainischen Mitbürger und alle Menschen auf der Welt diese Weisheit früher oder später verstehen werden und alle Kriege der Vergangenheit angehören werden. Wir können und müssen über uns selbst hinauswachsen.

Frohe Ostern

 

Alle die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern, benötigen Schutz und Asyl

Dazu organisieren wir vom 8.-21. Mai zwei Aktionswochen. Ich zitiere aus dem Aufruf:
„Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Wir verurteilen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der zu hunderttausenden Toten und Verletzten sowie Millionen Geflüchteten geführt hat. Besonders betroffen sind die, die von ihren Regierungen an die Front geschickt werden.

Viele Menschen aus Russland und der Ukraine, aber auch Belarus, denen der Kriegsdienst droht, versuchen sich ihm zu entziehen: Sie wollen keine anderen Menschen töten und auch nicht in diesem Krieg sterben. Soldatinnen und Soldaten an der Front wollen angesichts des Grauens die Waffe niederlegen. Ihnen allen drohen dafür von ihren Regierungen Repression und Gefängnisstrafen, in Belarus sogar bis hin zur Todesstrafe.“

Wir fordern von den Regierungen Russlands, Belarus‘ und der Ukraine:

  • Stellen Sie die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern und Kriegsdienstverweigerinnen und von Deserteuren und Deserteurinnen umgehend ein!
  • Wir fordern von der EU und der Bundesregierung: Öffnen Sie die Grenzen! Schützen Sie Menschen aus Russland, Belarus und der Ukraine, die den Kriegsdienst verweigern oder desertieren und geben Sie ihnen Asyl!

Dafür organisieren wir in zwei Aktionswochen rund um den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai Kundgebungen und Demonstrationen. Wir werden u.a. der Europäischen Kommission in Berlin mehr 33000 Unterschriften mit der Forderung nach Schutz und Asyl für Menschen, die sich dem Kriegsdienst entziehen, übergeben. Hier am Infostand kann noch unterschrieben werden. Wir planen auch eine Kundgebung hier in Frankfurt.

Wir betonen: Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht!

Letztes Update: 12.04.2023, 17:01 Uhr